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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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er seinen Arm los und trat hastig zwei Schritte zurück. »Entschuldige. Aber ich bitte dich, mich anzuhören. Nur noch dieses eine Mal.«
    Es fiel Mogens schwer, Graves’ Worten zu folgen. Er blickte auf seinen Arm herab, dorthin, wo Graves’ Hand ihn berührt hatte. Sie war nicht mehr da, aber er spürte ihre Berührung immer noch, als hätte sich der Abdruck der von schwarzem Leder umhüllten Finger in seine Haut eingebrannt. Er hatte das Gefühl, von etwas Unheiligem, durch und durch Unmenschlichem besudelt worden zu sein, etwas, das so … so falsch war, dass es nicht sein durfte .
    »Ich bitte dich, noch ein einziges Mal mit mir nach unten zu gehen, Mogens«, fuhr Graves fort. »Tom hat den Gang wieder geräumt und die am schlimmsten beschädigten Stellen abgestützt, und er hat gute Arbeit geleistet. Es besteht also keine Gefahr. Und du musst kein Wort sagen, wenn du nicht willst!«
    »Warum willst du dann, dass ich dich begleite?«, fragte Mogens. »Ich werde dir nicht helfen, Jonathan.«
    »Und ohne deine Hilfe habe ich nicht die geringste Aussicht, diese Tür zu öffnen«, fügte Graves hinzu. »Du siehst also, es besteht nicht die geringste Gefahr. Ich kann diese Schrift nicht einmal lesen.«
    Ich kann sie auch nicht mehr lesen, wollte Mogens antworten, aber er sagte sich, dass Graves ihm das kaum glauben dürfte und es als bloße Schutzbehauptung abtun würde. »Warum dann also die Mühe?«, fragte er erneut.
    »Weil du es mir verdammt noch mal schuldig bist!«, antwortete Graves. » Du glaubst, dass dort unten etwas Gefährliches begraben liegt. Ich glaube das nicht. Was ist an dieser Situation so außergewöhnlich? Zwei Wissenschaftler, die unterschiedlicher Meinung über einen Fund sind! Überzeuge mich!«
    »Du bist ja verrückt«, seufzte Mogens. »Gib endlich Ruhe, Jonathan. Ich werde nicht mit dir kommen.« Er machte eineHandbewegung in Richtung seiner Hütte. »Ich denke, ich werde jetzt zu Miss Preussler gehen und sie zu einem kleinen Spaziergang einladen. Unser Gepäck lassen wir dann morgen abholen.«
    »Wovor hast du Angst, Mogens?«, fragte Graves. »Dass ich dort unten über dich herfallen und dir etwas antun könnte?« Er lachte böse. »Oder dass du dir eingestehen musst, dass ich vielleicht Recht habe?«
    Die ehrliche Antwort wäre ein klares Ja gewesen, auf beide Fragen. Mogens schenkte ihm jedoch nur einen verächtlichen Blick und wandte sich ab, um zu gehen. Endgültig.

Obwohl Mogens kaum länger als zehn Minuten fort gewesen war, hatte Miss Preussler ein kleines Wunder vollbracht, als er in die Blockhütte zurückkam. Er hatte den Raum noch nie so ordentlich – und vor allem sauber – gesehen wie jetzt, nicht einmal am Tag seiner Ankunft. Irgendwie schien es Miss Preussler gelungen zu sein, eines der fundamentalsten Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen, jenes nämlich, nach dem das Innere eines Raumes niemals größer sein kann als sein Äußeres. Sie hatte nicht nur alles ordentlich an seinen Platz geräumt, der Raum schien auch auf fast magische Weise größer geworden zu sein, sodass Mogens zum ersten Mal das Gefühl hatte, sich frei bewegen zu können, ohne Angst haben zu müssen, irgendwo anzustoßen oder etwas umzuwerfen.
    »Haben Sie Cleopatra gefunden?«, fragte sie, als Mogens den Raum betrat, und ohne sich zu ihm herumzudrehen. Mogens antwortete nicht gleich. Miss Preussler stand vor dem Bücherregal und wandte ihm den Rücken zu, sodass er nicht genau erkennen konnte, was sie tat. Klar jedoch war, dass sie sich an den Büchern zu schaffen machte – wenn auch vermutlich nur, um sie abzustauben und präzise auf den Regalböden auszurichten – und dass ihm nicht sonderlich wohl dabei war.
    »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Aber Sie sollten sich keine Sorgen machen. Cleopatra wird bestimmt nichts passieren. Die Umgebung hier ist sicher, und es gibt keine gefährlichen Tiere.« Sah man von dem Sumpf ab, der unmittelbar hinter dem Lager begann, und vergaß man das, was Sheriff Wilson über den getöteten Geologen erzählt hatte, fügte er in Gedanken hinzu. Ihm war nicht besonders wohl dabei, Miss Preussler anzulügen, aber er sah auch keinen Sinn darin, sie unnötig zu beunruhigen. Er wusste, wie sehr Miss Preussler an Cleopatra hing. Und er tröstete sich damit, dass Cleopatra schließlich eine Katze war und hoffentlich noch ein paar Reserveleben übrig hatte.
    Miss Preussler wirkte jedoch keineswegs beunruhigt, sondern schenkte ihm im Gegenteil ein Lächeln.

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