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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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bloße Gedanke, die Kreatur anzugreifen, absolut lächerlich war. Dennoch ging er weiter und beschleunigte seine Schritte sogar noch, blieb aber in fast regelmäßigen Abständen stehen, um zu lauschen. Er hörte nichts, aber er konnte nach wie vor spüren, dass das unheimliche Wesen irgendwo dort vor ihm war; nicht einmal besonders weit entfernt. Mogens verspürte ein eisiges Frösteln bei der Vorstellung, es könne vielleicht seinerseits ab und zu stehen bleiben und aus seinen unheimlichen glühenden Augen zu ihm zurückblicken, um sich davon zu überzeugen, dass der Abstand nicht etwa zu groß wurde und Mogens seine Spur verlor. Er ging trotzdem weiter. Er war nicht einmal sicher, ob er überhaupt noch kehrtmachen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Mogens fühlte sich in der Lage eines Mannes, der leichtsinnigerweise angefangen hatte, einen immer steiler und steiler werdenden Hang hinabzulaufen, und nun nicht mehr anhalten konnte.
    Jetzt, eingehüllt in Dunkelheit und Kälte, die beide auf unterschiedliche Weise, aber gleich heftig an seinen Nerven zerrten, kam ihm der Weg ungleich länger vor als an dem Tag, als Tom mit dem Wagen hier entlanggefahren war. Sein Zeitempfinden war hoffnungslos erloschen, aber er hatte das Gefühl, Stunden an der unregelmäßig ausgebrochenen Mauer entlangzumarschieren. Aber auch realistisch betrachtet legte er eine halbe Meile zurück, wenn nicht mehr. Er hatte nicht gewusst, dass der Friedhof so groß war; eigentlich viel zu groß für eine so kleine Stadt wie die, zu der er gehörte.
    Mogens blieb stehen, als er ein Geräusch hörte. Es war nicht das Knurren der Bestie, sondern ein anderer Laut, den er nicht zu identifizieren vermochte, der aber irgendetwas in ihm berührte und ihn beunruhigte. Mit aller Konzentration, die er aufzubringen imstande war, versuchte er die Dunkelheit vor sich mit Blicken zu durchdringen. Vor ihm stieg der schmale asphaltierte Weg jäh an und ging dann in die kaum nennenswert breitere Hauptstraße über, beschrieb auf halber Strecke jedoch einen scharfen Knick, der in Mogens ungute Erinnerungen wachrief, war es doch genau die Stelle, an der ihm schon auf der Herfahrt der Angstschweiß auf die Stirn getreten war.
    Erst dann wurde ihm klar, dass es nicht nur diese Erinnerung war, die ihn mit solchem Unbehagen erfüllte. Dies war die Stelle, von der Graves vorhin erzählt hatte. Der Ort, an dem der Wagen abgestürzt war.
    Mogens zögerte nun aus ganz anderen Gründen, weiterzugehen. Er hatte nie zu jenen Menschen gehört, die voller morbider Faszination zum Ort eines Unglücks eilten oder sich beispielsweise ein brennendes Haus ansahen, und diesen speziellen Ort wollte er ganz gewiss nicht sehen. Denn auch wenn es nicht den mindesten Anlass dazu gab, fühlte er sich doch auf sonderbare Weise mitverantwortlich für das Schreckliche, das Hyams und den beiden anderen zugestoßen war. Ja, er fragte sich sogar, ob es nicht in Wahrheit dieses furchtbare Geschehen war, das ihn hergelockt hatte, und ob seine Fantasie den Anblick eines fuchsohrigen Ungeheuers mit glühenden Augen vielleicht nur erschaffen hatte, um ihn hierher zu locken. Allein die Vorstellung , dass ein ihm bisher selbst unbekannter Teil seines Bewusstseins zu einer solchen Morbidität imstande sein könnte, war so erschreckend, dass er auf der Stelle den Rückweg angetreten hätte, hätte er nichtin diesem Moment erneut jenen sonderbar klagenden Laut gehört, und diesmal so deutlich, dass er sicher war, ihn auch tatsächlich gehört zu haben und ihn sich nicht nur einzubilden. Es war ein Klagen, etwas wie das Seufzen des Windes, nur qualvoller. Und es war eindeutig eine menschliche Stimme.
    Mogens erschauerte erneut, und fast gegen seinen Willen hörte er noch einmal Miss Preusslers Stimme. Und wenn die arme Frau vielleicht doch noch lebt und nun schwer verletzt dort draußen liegt? Aber das konnte nicht sein. So grausam durfte das Schicksal nicht sein.
    Wie um ihn zu verhöhnen, drehte sich der Wind, und das leise Wehklagen drang nun deutlicher an sein Ohr. Vielleicht war es nur das, was seine Fantasie dem Laut hinzufügte, doch für Mogens wurde er nun eindeutig zum herzzerreißenden Flehen einer Frau, und nun gab es kein Zurück mehr. Er ging weiter, näherte sich vorsichtig der Stelle, an der die Straße in einen jähen Abgrund überging, und beugte sich mit klopfendem Herzen vor.
    Wider alle Vernunft hatte er sich bisher immer noch an die verzweifelte Hoffnung geklammert, doch am

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