Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
war der erste Gedanke, der ihm bei dieser Erkenntnis durch den Kopf ging, die Frage, wie er diese Nachricht Miss Preussler beibringen sollte, und nicht etwa die, ob er sich womöglich selbst in Gefahr befand.
    Er zögerte noch einen allerletzten Moment, dann aber ignorierte er die warnende Stimme in seinem Innern endgültig und schloss die Hand um Cleopatras Hinterläufe. Die Katze reagierte auch darauf nicht, sondern ließ sich widerstandslos von Mogens aus dem Gebüsch zerren. Ihr Körper war zwar noch warm, aber so schlaff, dass sich Mogens keiner Illusion mehr hingab, was er erblicken würde, sobald er sie ins Licht gezogen hatte. Sie kam ihm auch leichter vor, als sie sein sollte.
    Möglicherweise lag das daran, dass sie keinen Kopf mehr hatte.
    Mogens’ Atem stockte. Ein so eisiges Entsetzen griff nach seinem Herzen, dass er tatsächlich zu spüren glaubte, wie es zuerst einen, dann noch einen und schließlich noch einen Schlag übersprang und auch dann nur so mühevoll und schwer weiterarbeitete, als hätte sich sein Blut in zähflüssigen Teer verwandelt, den es kaum durch seine Adern zu pumpen imstande war. Von einem Entsetzen gepackt, das auf eine eigenartige Weise fast schlimmer zu sein schien als jenes, das er damals in jener schrecklichen Nacht unter dem Mausoleum empfunden hatte, saß er wie zur Salzsäule erstarrt in der Hocke da und starrte Cleopatras geschundenen Körper an, ohne wirklich zu begreifen, was er da sah. Nicht nur Cleopatras Kopf fehlte, sondern auch die rechte Schulter samt des daran befindlichen Laufs. Die schreckliche Wunde hätte heftig bluten müssen, doch zumindest in dem blassen Sternenlicht, das seinen Weg durch das Blätterdach gefunden hatte, konnte Mogens nur wenige dunkelrote Tropfen erkennen. Mogens registrierte all diese – und noch viel mehr, viel schlimmere – Details mit der kalten Sachlichkeit eines Wissenschaftlers, der gelernt hatte, Dinge zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie zu werten, aber auf einer anderen, tieferen Ebene seines Bewusstseins empfand er noch immer dasselbe lähmende Entsetzen, das es ihm unmöglich machte, auch nur einen Muskel zu rühren, ja, in diesem Moment auch nur zu atmen.
    Und vielleicht rettete ihm dieses Entsetzen das Leben.
    Noch während er dasaß und versuchte, die eisige Umklammerung der Furcht zu sprengen, erwachte ein weiterer, massiger Schatten vor ihm zum Leben. Was er für einen Busch oder Strauch gehalten hatte, wurde zu einem struppigen, fuchsohrigen Umriss mit kolossaler Schulterbreite, der sich wie ein mythischer Gigant aus der griechischen Sagenwelt langsam vor und über ihm aufrichtete. Das Knurren erklang erneut, aber diesmal war Mogens sicher, es nicht wirklich zu hören , sondern mit jeder Faser seines Körpers zu spüren. Unheimliche, düsterrote Augen starrten aus mehr als sechs Fuß Höhe auf Mogens herab, und ein Geruch, der eine Mischung aus Blut, Verwesung und noch etwas anderem, Unangenehmerem war, schlug ihm entgegen. Das Ungeheuer starrte nicht einfach nur in seine Richtung, es sah ihn an , aus Augen, die in der Dunkelheit besser sahen als die eines Menschen im hellen Licht der Sonne, und der ekelhafte Gestank nahm noch zu, als sich das Ding vorbeugte und dabei das Maul öffnete, wobei ein ganzer Wald nadelspitzer Fang- und Reißzähne im Sternenlicht aufblitzte.
    Mogens wusste mit unerschütterlicher Gewissheit, dass er nun sterben würde. Die Kreatur, die Cleopatra auf so entsetzliche Weise zugerichtet hatte, hatte auch ihn entdeckt, und es bestand kein Zweifel daran, dass die kleine Katze kaum mehr als ein Appetithappen für einen Koloss wie diesen gewesen sein konnte, so wenig wie Zweifel daran bestand, was als Nächstes geschehen musste. Mogens empfand eine leise Verwirrung über den Umstand, dass er noch immer keine wirkliche Angst hatte, zugleich aber ein absurdes Gefühl von Dankbarkeit, dass es so war. Ergeben schloss er die Augen und wartete auf den Tod.
    Er kam nicht. Der reißende Schmerz, auf den er wartete, blieb aus. Das unheimliche Knurren wiederholte sich undnahm für einen Moment noch an Intensität zu, doch das Nächste, was Mogens hörte, war das scharfe Brechen von Zweigen und dann leise, tappende Schritte, die sich entfernten. Als er die Augen wieder öffnete, war der Schatten verschwunden.
    Und dann geschah etwas ganz und gar Unglaubliches.
    Mogens spürte, wie sich seine Finger öffneten und den toten Leib der Katze fallen ließen. Sein Herz begann zu rasen, und nur eine Sekunde später

Weitere Kostenlose Bücher