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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Jahre einmal vorkommt.«
    »Lass mich raten«, sagte Mogens spöttisch. »Dieser Zeitpunkt ist heute.«
    »Ganz genau«, antwortete Graves. Er drehte sich zu Mogens um, aber das triumphierende Lächeln, das sich auf seinem Gesicht breit gemacht hatte, erlosch, als er des spöttischen Funkelns in Mogens’ Augen gewahr wurde.
    »Vielleicht nicht genau heute , aber jetzt «, antwortete er ärgerlich. »Ja. Die Konstellation beginnt jetzt, mit diesem Vollmond, und wird zwei, vielleicht drei Monate anhalten. Vielleicht haben wir eine zweite Chance, und möglicherweise sogar eine dritte – aber ich glaube das nicht. Weder Wilson noch diese verdammten Maulwürfe werden uns so viel Zeit lassen.«
    »Zeit«, wiederholte Mogens misstrauisch. »Wozu?«
    »Die Pforte zu öffnen«, antwortete Graves. »Ich bin sicher, die Antworten auf all unsere Fragen sind hinter dieser Tür! Interessiert es dich denn wirklich nicht, Mogens? Sag mir nicht, dass es dich nicht reizt, das größte Rätsel der Menschheitsgeschichte zu lösen.«
    »Ich dachte, wir wären aus einem anderen Grund hier«, sagte Mogens. Es gelang ihm nicht, seine Stimme ganz so beiläufig klingen zu lassen, wie er es gerne gehabt hätte. Es spielte keine Rolle, ob Graves bewusst übertrieb oder sich diese ganze Geschichte gar aus den Fingern gesogen hatte, um ihn zu ködern – es war ihm gelungen. Niemand, ganz gleich ob nun Wissenschaftler oder nicht, hätte diese Frage guten Gewissens mit Nein beantworten können.
    »Vielleicht ist es ja ein und derselbe«, antwortete Graves geheimnisvoll. Und selbstverständlich waren auch dieseWorte mit Bedacht gewählt, so, wie sich Graves vermutlich jedes einzelne Wort dieses Gespräches sorgsam zurechtgelegt hatte. Für einen Moment glaubte Mogens ihn regelrecht zu sehen, wie er hinter seinem Schreibtisch saß, die Hände flach nebeneinander auf die Platte gepresst und die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, den Blick ins Nichts gerichtet, während er darüber nachdachte, wie und mit welchen Argumenten – oder auch Drohungen – er ihn doch noch dazu bringen konnte, ihm zu Diensten zu sein. Er traute Graves ohne weiteres zu, sich jede denkbare Reaktion und jede nur mögliche Antwort auf seine Argumente vorgestellt und sich seinerseits wieder eine Erwiderung zurechtgelegt zu haben.
    Graves manipulierte ihn, das war Mogens klar, aber er nahm es ihm noch nicht einmal übel. Er wäre im Gegenteil fast schon enttäuscht gewesen, hätte er es nicht zumindest versucht. Nein, der bittere Geschmack auf seiner Zunge kam von der Erkenntnis, dass er sich manipulieren ließ; und dass da etwas in ihm war, was sich gar nicht gegen Graves’ Einflüsterungen wehren wollte .
    Er spürte sogar selbst, wie müde er sich anhörte, als er antwortete: »Gib dir keine Mühe, Jonathan. Ich bleibe bei meiner Entscheidung. Ich hätte nicht einmal hierher kommen sollen.«
    Graves seufzte, aber auch seine Enttäuschung war nicht echt, sondern nur Teil seines sorgsam inszenierten Plans, eine von vermutlich nicht einmal sonderlich vielen Variationen, die er vorausgesehen und eingeplant hatte. »Mogens, du …«
    »Bringst du mich zurück?«, fiel ihm Mogens ins Wort.
    »Bevor du es dir doch noch anders überlegen kannst?«, fragte Graves.
    Mogens musterte ihn einen Herzschlag lang kühl, dann drehte er sich mit einem angedeuteten Achselzucken um und ging.
    »Warte, Mogens«, sagte Graves hastig. »Ich leuchte dir. Der Weg ist nicht ungefährlich. Nicht, dass du dich am Ende noch verletzt!«
    »Ein gebrochenes Bein müsste dir doch wie ein Geschenk des Himmels vorkommen«, sagte Mogens böse.
    »Bring mich nicht auf Ideen«, sagte Graves, während er mit schnellen Schritten an ihm vorbeiging und sich gleichzeitig bückte, um sich nicht an der niedrigen Tunneldecke zu stoßen.
    Im ersten Augenblick war Mogens ihm ehrlich dankbar dafür, denn er hätte sich tatsächlich kaum zugetraut, den Rückweg bei vollkommener Dunkelheit ohne nennenswerte Blessuren zu bewältigen, dann aber lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Graves verschwand geduckt in dem niedrigen Gang und das Licht seiner Laterne mit ihm, aber es kam Mogens auf sonderbare Weise langsam vor, als hätten ihm die ungezählten Jahrhunderte der Dunkelheit, die in dieser Höhle gewissermaßen konserviert waren, die Konsistenz einer zähen Flüssigkeit verliehen. Der gelbe Schein glitt träge über den Fels und schien Fäden zu ziehen, als hätten die scharfen Grate und Kanten die

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