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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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du.«
    Graves grinste fröhlich und hielt die Petroleumlampe höher, und Mogens vergaß schlagartig sämtliche Albernheiten und zog stattdessen überrascht die Augenbrauen hoch.
    Der Schein dieser einzelnen Lampe reichte keineswegs aus, um den Raum auch nur zu einem nennenswerten Teil zu erhellen, aber er sah dennoch gleich, was Graves meinte.
    Sie waren nicht die ersten Besucher, die hierher kamen. Der Boden war uneben und von tiefen Rissen durchzogen, hier und da aber offenbar künstlich geglättet, und er entdeckte allein auf dem kleinen Stück, das vom Licht der Laterne aus der vielleicht seit Jahrhunderten andauenden Finsternis gerissen wurde, mindestens drei Feuerstellen, wo der Fels wieder und wieder so großer Hitze ausgesetzt gewesen war, dass sich Ruß und Asche schließlich für alle Zeiten in seine Oberfläche eingebrannt hatten.
    »Das ist …«, begann er verblüfft.
    »Ja«, sagte Graves in einem völlig unangemessen fröhlichen Ton. »Genau das habe ich auch gesagt, als ich es das erste Mal gesehen habe.«
    Mogens hörte kaum noch hin, und das lag nicht allein daran, dass ihm Graves’ kindisches Betragen allmählich auf die Nerven zu gehen begann. Er hätte wohl auch nicht hingehört, hätte Jonathan Graves in diesem Moment einen Satz von höchster wissenschaftlicher Bedeutsamkeit von sich gegeben. Er war viel zu sehr damit beschäftigt zu staunen .
    Dabei war es keineswegs so, dass er so etwas zum ersten Mal gesehen hätte …
    »Das ist beeindruckend, nicht?«, fragte Graves fröhlich. »Weißt du, woran es mich erinnert? An die Vorlesungen von Professor Talbot. Du erinnerst dich doch bestimmt noch, wie gefürchtet sie bei uns Studenten waren! Talbot und seine Megalithkulturen!« Er hob seine Lampe ein wenig höher, sodass ihr Schein auf einen etwas größeren Teil der Wände fiel. »Aber wenn man das hier sieht, kann man seine Begeisterung fast verstehen.«
    »Jonathan, hör endlich auf zu plappern«, murmelte Mogens. »Weißt du eigentlich, was das hier ist?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Graves. »Die Frage ist doch wohl eher: Weißt du , was es ist?«
    Mogens war plötzlich nicht einmal mehr ganz sicher, ob er Graves’ Frage wirklich bejahen konnte. Die Wände waren mit primitiven Zeichnungen und Bildern übersät, und nahezu alles, was er erblickte, erinnerte auf schon fast verblüffende Art an genau die Fotografien und Illustrationen, für die Professor Talbot bei seinen Studenten tatsächlich berüchtigt gewesen war. Es waren Höhlenmalereien, Tausende von Jahren alt und jede für sich einmalig, und dennoch im Grunde nicht einmal etwas Besonderes, denn man fand sie an zahllosen Orten in Europa, Zentralafrika und auch Asien.
    Nur nicht in Nordamerika.
    »Das … das ist eine wissenschaftliche Sensation«, murmelte er.
    »Ja, ja«, sagte Graves amüsiert. »Fast so sensationell wie die Entdeckung eines ägyptischen Anubis-Tempels dreißig Meilen östlich von San Francisco, nicht wahr?«
    Mogens starrte ihn nur an. Graves gestattete sich den kleinen Luxus, sich eine kurze Weile an Mogens’ unübersehbarer Verwirrung zu weiden, aber dann wurde er übergangslos wieder ernst. »Glaub mir, mein Freund, ich habe auf meinen Reisen noch viel unglaublichere Dinge gesehen. Aber deshalb habe ich dich nicht hergebracht. Fällt dir denn gar nichts auf?«
    Mogens fiel eine ganze Menge auf, aber er war auch ziemlich sicher, dass nichts davon das war, was Graves meinte. Er hob die Schultern.
    »Lassen wir die nebensächliche Frage einmal beiseite, wie ein Zeugnis der vorgeschichtlichen europäischen Megalithkultur auf den nordamerikanischen Kontinent kommt«, sagte Graves mit einem neuerlichen angedeuteten Lächeln, »so haben wir hier zweifellos einen heiligen Ort.«
    Mogens schwieg noch immer, aber sein Gesichtsausdruck musste wohl Bände sprechen, denn Graves sah sich ganz offensichtlich zu einer Erklärung genötigt. »Ich habe mehr als einen solcher Orte mit eigenen Augen gesehen, Mogens«, sagte er und hob rasch die Hand. »Nein, ich weiß, was du jetzt sagen willst, aber wir haben weder die Zeit, noch bin ich in der Stimmung, eine theologische Diskussion mit dir zu führen. Seit jener schrecklichen Nacht glaube ich so wenig an Gott oder den Teufel wie du. Dennoch bin ich sicher, dass es so etwas wie heilige Orte gibt.«
    »Das klingt logisch«, sagte Mogens spöttisch. Jedenfalls versuchte er, spöttisch zu klingen.
    »Denk dir meinetwegen ein anderes Wort aus, wenn es dir so schwer

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