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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schenkte ihm einen giftigen Blick und setzte umständlich seinen Hut wieder auf, bevor er antwortete. »Ich hoffe, diese halsbrecherische Kletterei lohnt sich auch«, knurrte er.
    »Ganz bestimmt«, versicherte Mogens. »Kommen Sie!«
    Er hob seine Lampe, drehte sich um und ging mit raschen Schritten zu derselben Stelle, die ihm Graves am Morgen gezeigt hatte. Wilson folgte ihm, wenn auch langsamer, und er blieb eine ganze Weile schweigend und mit angestrengt gerunzelter Stirn neben ihm stehen und starrte auf die Wand.
    »Ich fürchte, Sie müssen mir ein wenig helfen, Professor«, sagte er nach einer Weile.
    »Sie sehen es nicht?« Mogens schwenkte seine Lampe langsam hin und her, sodass der Lichtschein die Jahrtausende alten Felszeichnungen aus der ewigen Dunkelheit rissen. Vielleicht war das keine gute Idee, denn die flackernde Aufeinanderfolge von Licht und Schatten offenbarte die uralten Malereien nicht nur den Blicken der Beobachter, sondern schien sie gleichsam auch zu unheimlichem Leben zu erwecken.
    »Ich sehe es schon«, antwortete Wilson. Er hob die Schultern. »Nur ist mir nicht ganz klar, was daran so außergewöhnlich sein soll.«
    »Das sind Felsmalereien«, erklärte Mogens. »Sie sind wahrscheinlich mehrere tausend Jahre alt.«
    »Ich weiß , was Felszeichnungen sind«, antwortete Wilson scharf. »Wie gesagt, ich bin vielleicht nur ein dummer kleiner Sheriff vom Lande, aber sogar ich habe schon einmal von Höhlenmalereien gehört. Stellen Sie sich vor, ich habe sogar schon einmal welche gesehen . Vor ein paar Jahren, in Utah.«
    Die Feindseligkeit in seiner Stimme amüsierte Mogens, aber er verzog keine Miene. »Solche ganz bestimmt noch nicht, Sheriff. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Selbst die meisten meiner Kollegen würden den Unterschied nicht bemerken – wenigstens nicht auf den ersten Blick.«
    »Ich sehe ihn nicht einmal auf den dritten«, sagte Wilson.
    »Aber er ist da, glauben Sie mir. Diese Malereien sind etwas ganz Besonderes. Wenn wir erst einmal so weit sind, unsere Entdeckung der Öffentlichkeit präsentieren zu können, dann müssen eine Menge Lehrbücher über die Frühgeschichte unseres Landes neu geschrieben werden.«
    Wilson sah ihn zweifelnd an. »Deswegen?«
    »Sie dürften gar nicht da sein«, antwortete Mogens. »Nach allem, was wir bisher über dieses Land zu wissen geglaubt haben, hat es hier noch gar keine Menschen gegeben, als diese Wandmalereien entstanden sind.« Er legte eine ganz genau bemessene Pause ein. »Verstehen Sie nun, warum Doktor Graves so sehr darauf bedacht ist, dass niemand frühzeitig von unserer Entdeckung erfährt? Das hier ist vielleicht der sensationellste archäologische Fund des Jahrhunderts!«
    »Wenn Sie es sagen, Professor.« Wilson wirkte jetzt eindeutig hilflos, und Mogens musste sich beherrschen, um nicht triumphierend zu grinsen. Er hatte Wilson richtig eingeschätzt. So wenig, wie der Sheriff irgendetwas anderes als Überheblichkeit von einem Wissenschaftler wie ihm erwartete, so sehr war er nur zu bereit, jede Erklärung zu glauben, die Mogens ihm anbieten würde, solange sie sich nur akademisch genug anhörte.
    »Ich gehe ein ziemliches Risiko ein, indem ich Ihnen das hier zeige, Sheriff«, fuhr Mogens fort, »aber ich denke, ichkann Ihnen vertrauen. Wir brauchen nur noch wenige Tage, um unsere Arbeit hier abzuschließen. Schauen Sie sich ruhig um. Sehen Sie hier irgendetwas, das nach einem Erdbeben aussieht? Die größte Maschine, die wir einsetzen, ist der Generator, der unseren Strom erzeugt.«
    »Doktor Steffen war der Meinung, dass Sie möglicherweise Sprengladungen benutzen, um Ihre Ausgrabungen voranzutreiben.«
    »Sprengladungen?« Mogens lachte. »Kaum. Doktor Steffens Fähigkeiten als Wissenschaftler in Ehren, aber er ist Geo loge, kein Archäo loge. Sprengstoff ist sein Metier. Wir arbeiten hier eher mit Zahnbürste und Pinsel als mit Dynamit.«
    Hinter Wilson ertönte ein leises, rhythmisches Klatschen. Mogens fuhr erschrocken herum und hob seine Lampe, und Graves klatschte noch zweimal in die Hände und trat dann vollends in den Lichtschein der Sturmlaterne.
    »Bravo«, sagte er kalt. »Das war ja eine flammende Rede. Hast du jemals daran gedacht, Prediger zu werden, Mogens? Das Talent dazu hast du auf jeden Fall.«
    Er klatschte noch einmal in die Hände und kam einen Schritt näher, und selbst das kalte, falsche Lächeln in seinen Augen erlosch und machte blanker, kaum noch verhaltener Wut Platz. »Darf ich fragen,

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