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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hatte und das ihn mit Besorgnis erfüllte.
    »Und was stimmt daran nicht?«, fragte er.
    »Oh, nichts«, antwortete Graves hastig. »Es ist alles in Ordnung.« Er grinste schief. »Im Gegenteil, wenn das da ein Mensch wäre, dann würde ich jetzt vor lauter Neid grün im Gesicht werden.«
    Mogens schenkte ihm einen eisigen Blick, und Graves schaltete sein infantiles Grinsen wieder ab. »Es ist nur so, dass alle Ghoule, die wir bisher gesehen haben, männlich waren. Natürlich sind wir noch niemals so nahe an eines dieser Geschöpfe herangekommen wie jetzt, aber ich bin dennoch sicher, dass es alles Männchen waren. Und das ist sonderbar.«
    »Vielleicht gehen nur die Männchen auf Futtersuche«, vermutete Mogens.
    »Das wäre ungewöhnlich«, sagte Graves. »Bei den meisten Raubtieren sind es eher die Weibchen, die jagen. Allenfalls, dass beide Gattungen auf Nahrungssuche gehen.«
    »Sagtest du nicht selbst, dass das hier eine vollkommen unbekannte Spezies ist, über die wir so gut wie nichts wissen?«, gab Mogens zurück.
    Graves sah ihn einige Sekunden lang nachdenklich an, aber dann nickte er widerwillig. »Natürlich. Du hast Recht. Aber sonderbar ist es trotzdem. Nun ja, wir haben ja jetzt ein Exemplar, um wenigstens einige ihrer Geheimnisse lösen zu können.«
    Als hätte er seine Worte verstanden, bäumte sich der Ghoul gegen seine Fesseln auf und stieß ein lang gezogenes Heulen aus. Mogens wich instinktiv einen halben Schritt zurück, und auch Graves fuhr merklich zusammen. Tom, der noch zwei Schritte entfernt war und gerade mit einer zweiten Laterne zurückkam, blieb instinktiv stehen und sah nervös über die Schulter zurück in die Dunkelheit, aus der er gerade gekommen war.
    »Was hast du jetzt mit ihm vor?«, fragte Mogens – im Grunde nur, um die Furcht zu überspielen, die erneut in seinem Herzen erwachen wollte.
    »Zuerst einmal schaffen wir ihn hier raus«, antwortete Graves. Auch er klang ein wenig nervös. »Tom hat in den letzten Tagen Material für einen stabilen Gitterkäfig aus der Stadt geholt. Binnen einer Stunde können wir ihn zusammenbauen.«
    »Und dann?«
    Wieder ließ das gefesselte Ungeheuer jenes unheimliche, klagende Wolfsheulen hören, sodass es einen Moment dauerte, bis Graves antworten konnte. »Sheriff Wilson hat einen Telefonanschluss in seinem Büro«, sagte er. »Ich muss ein paar Anrufe tätigen, aber im Grunde sind die meisten Vorbereitungen schon getroffen. Mit etwas Glück können wir ihn morgen Abend nach San Francisco bringen, um ihn der Öffentlichkeit zu präsentieren – und natürlich einem Auditorium unserer geschätzten Kollegen.« Er seufzte. »Mach dich auf etwas gefasst, Mogens. Du weißt, was diese Entdeckung auslösen wird. Sie werden nichts unversucht lassen, uns als Dummköpfe oder Betrüger hinzustellen. Oder beides.«
    Vermutlich beides, dachte Mogens. Er gestand sich ein, dass das Schlimmste noch nicht überstanden war. Genau genommen hatte es noch nicht einmal angefangen. Und es kam gewiss nicht von ungefähr, dass er bisher noch nicht einmal darüber nachgedacht hatte, welches Erdbeben sie in der Welt der Wissenschaft auslösen würden, wenn sie diese Kreatur der Öffentlichkeit präsentierten. Aber auch jetzt war nicht der richtige Moment dazu, und er sagte es auch.
    »Du hast Recht«, sagte Graves. »Tom.«
    Tom stellte seine Laterne am Fußende der Kiste ab und machte eine fragende Geste. »Das Netz?«
    Graves überlegte einen Moment, aber dann schüttelte er zu Mogens’ Erleichterung den Kopf. »Besser, wir lassen es, wo es ist. Das wird ihn nicht umbringen.« Ganz offensichtlich bewegten sich seine Gedanken in eine ähnliche Richtung wie die von Mogens. Die massiven Hand- und Fußfesseln sahen stabil genug aus, um selbst den Kräften eines wütenden Gorillamännchens zu trotzen. Angesichts dessen, was Graves vorhin selbst über die Herkunft des Netzes gesagt hatte, nahm Mogens sogar an, dass ein solches Tier bei der Konstruktion seiner »Särge« Pate gestanden hatte. Er war zugleich aber sicher, dass der Ghoul über weit größere Körperkräfte verfügte als jeder Gorilla. Vielleicht war Graves auf all seinen Reisen diesen Geschöpfen doch nicht so nahe gekommen, wie er behauptet hatte.
    Wieder heulte der Ghoul. Diesmal versuchte er nicht, sich gegen seine Fesseln zu stemmen – vielleicht, weil er die Sinnlosigkeit seines Tuns eingesehen hatte –, aber das Heulen hielt länger an und klang klagender; viel weniger wütend oder zornig,

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