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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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erkannte.
    »Ist es das, Doktor Graves?«, fragte Tom. Seine Stimme bebte vor Aufregung. »Ist es das?«
    »Ja, Tom«, antwortete Graves. »Das ist es.« Seine Stimme klang nicht aufgeregt, sondern ganz eindeutig voller Ehrfurcht.
    »Das ist was, Jonathan?«, fragte Mogens. Er machte einen einzelnen Schritt, um an Graves vorbeizugehen, aber der griff rasch nach seinem Am und hielt ihn zurück. »Nicht!«, sagte er. »Rühr es nicht an. Sieh nur hin. Erkennst du es denn nicht?«
    Mogens konzentrierte sich, aber im allerersten Moment ohne Erfolg. Die leuchtenden Pünktchen blieben, was sie waren: ein gutes Dutzend unterschiedlich großer und unterschiedlich heller Funken, die einander umtanzten wie Staubkörner, mit denen der Wind spielt. Und dennoch kam ihm etwas daran bekannt vor, auf eine fast schon unheimlich Weise.
    Dann wusste er es. Er hatte dieses Muster schon einmal gesehen, nur nicht frei im Raum schwebend und als Tanz winziger leuchtender Punkte, die einander umkreisten und sich zu necken schienen, sondern dunkel und zweidimensional, als ungelenke und dennoch sehr präzise Felszeichnung, die in den uralten Stein der Höhle geritzt war.
    Aber nicht nur dort. »O mein Gott«, hauchte er. »Das … das ist … Sirius!«
    »Wie er vor fünftausend Jahren am Himmel gestanden hat, ja«, bestätigte Graves. Seine Stimme bebte vor Stolz. »Die alte Heimat der Dogon.«
    Mogens hatte mit einem Male das Gefühl, dass sich die Dunkelheit der Höhle ebenso schnell um ihn zu drehen begänne, wie die winzigen Abbilder längst vergangener Sternenkonstellationen einander umkreisten. Er war kein Astronom, aber Sirius war ein sehr prägnanter Stern, den man auch ohne allzu große wissenschaftliche Vorbildung am Himmel erkannte. Es gab keinen Zweifel. Jetzt, einmal darauf aufmerksam geworden, hätte Mogens die Konstellation auch ohne Graves’ Hilfe ganz eindeutig identifiziert. Was da vor ihm schwerelos und dreidimensional in der Luft tanzte, war ein präzises Abbild des Sirius und seiner Begleiter.
    »Aber das ist doch … vollkommen unmöglich«, hauchte er. »Wie kann das …?«
    »Das ist das Werk des Teufels!«, sagte Miss Preussler neben ihm. Mogens konnte sie nicht einmal als Schatten in der fast vollkommenen Schwärze erkennen, aber er spürte, wie sie sich bekreuzigte.
    »Das ist wunderschön«, flüsterte Graves. »Sehen Sie sich nur die Präzision der Bewegungen an! Ihre Eleganz und Genauigkeit! Ich bin ganz sicher, hätten wir die Möglichkeit, es zu vergleichen, wir würden herausfinden, dass die Bahnen der Sterne um keinen Millimeter abweichen!«
    »Und ich bleibe dabei, es ist Teufelswerk!«, sagte Miss Preussler. Ihre Stimme zitterte, war nun aber dennoch hart, fast befehlend geworden. Mogens lauschte jedoch vergebens auf einem Unterton von Panik oder Hysterie darin. »Wir werden diesen unheiligen Ort auf der Stelle verlassen! Kommen Sie, Professor!«
    Sie ergriff Mogens am Arm und zwang ihn mit einer fast gewaltsamen Bewegung herum. Mogens versuchte sich ganz instinktiv zu widersetzen, doch in diesem Moment bekam Miss Preussler von gänzlich unerwarteter Seite Schützenhilfe.
    »Sie haben Recht, meine Liebe«, sagte Graves. »Es wird Zeit, dass wir gehen. Aber gedulden Sie sich noch einen kurzen Moment. Nicht, dass sich am Ende noch jemand verletzt.«
    Vor ihnen in der Dunkelheit klapperte etwas, dann hörten sie das Geräusch, wie ein Schwefelholz angerissen wurde. Mogens verspürte ein Gefühl flüchtiger, aber sehr tiefer Enttäuschung, als eine winzige Flamme den Tanz der Sterne auslöschte, dann leuchtete Graves’ Scheinwerfer auf. Mogens hob geblendet die Hand über das Gesicht, und auch Miss Preussler kniff die Augen zusammen und drehte sich mit einer erschrockenen, hastigen Bewegung herum. Fast schon fluchtartig verließ sie die Höhle, und Mogens folgte ihr kaum weniger schnell – drehte jedoch noch einmal den Kopf und versuchte über die Schulter zurück einen Blick auf die Felszeichnungen zu werfen. Graves’ Scheinwerfer blendete ihn jedoch so sehr, dass er nichts sah außer bunten Lichtblitzen und Sternengänzlich anderer Herkunft, die über seine Netzhäute tanzten und ihm die Tränen in die Augen trieben.
    Draußen in der großen Höhle angekommen, ging Graves noch ein Dutzend Schritte weiter, bevor er anhielt und auf Tom wartete, der gewisse Schwierigkeiten damit hatte, sich mitsamt seinem gewaltigen Rucksack durch die schmale Öffnung im Fels zu quetschen, dabei die beiden Gewehre zu

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