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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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gleiten, wo er ein bizarres Panoptikum aus natürlich gewachsenen Felsformen und gemeißelten Göttergesichtern und -gestalten aus der Schwärze riss und fast ebenso rasch wieder in ewige Dunkelheit zurückstieß. Das huschende Licht erschuf die Illusion von Leben, wo keines war, schien die Stille aber nur noch zu verstärken. Mogens versuchte vergeblich, sich des beklemmenden Gefühls zu erwehren, das mit diesem Schweigen einherging. Sein Herz schlug langsam, aber schwer und sehr hart.
    »Irgendetwas ist hier«, murmelte er.
    Graves machte erneut eine Geste, still zu sein, was ihn aber nicht daran hinderte, zu antworten. »Das will ich doch hoffen.«
    Tom senkte sein Gewehr – nicht weit, aber dennoch genug, dass auch Mogens’ Anspannung ein wenig sank –, nickte fast unmerklich und ging dann zusammen mit Graves los; allerdings nicht in Richtung des Hieroglyphenganges, wie Mogens erwartet hatte, sondern in die entgegengesetzte. Mogens tauschte einen überrascht-fragenden Blick mit Miss Preussler – welche Antwort er erwartete, wusste er allerdings selbst nicht – und beeilte sich dann, Tom und Graves zu folgen. Auch Miss Preussler und er waren mit jeweils einer der kleinen, aber ungemein starken Grubenlampen ausgerüstet, doch sie waren übereingekommen, solange es nichts Außergewöhnliches zu sehen gab, immer nur die Hälfte ihrer Lampen zu benutzen, um Brennstoff zu sparen.
    Sie gingen, langsam und immer wieder innehaltend, wenn Graves stehen blieb, das Licht seines Scheinwerfers über die Wände, den Boden und ein- oder zweimal auch über die Decke gleiten ließ, weiter in den riesigen unterirdischen Saal hinein. Die Wandmalereien nahmen ab, je weiter sie sich vom Eingang entfernten, und bald sahen sie nur noch scharfkantigen Fels, den keines Menschen Hand je berührt hatte. Dann fiel mehr Lichtschein durch einen niedrigen, unregelmäßig geformten Durchgang, hinter dem er sich in vollkommener Schwärze verlor.
    »Was ist das hier, Professor?«, flüsterte Miss Preussler.
    Mogens war schon einmal hier gewesen und wusste auch, was auf der anderen Seite des niedrigen Durchgangs lag, aber er verstand nicht, warum Graves sie hierher führte, und so deutete er nur ein Schulterzucken an und folgte ihm und Tom.
    Obwohl er vorgewarnt war, stieß er sich zweimal den Kopf an der niedrigen Decke, bevor er sich wieder aufrichten konnte, und so wie es sich anhörte, erging es Miss Preussler hinter ihm nicht viel besser; auch wenn er argwöhnte, dass sie wohl eher Mühe hatte, nicht in dem schmalen Gang stecken zu bleiben.
    In der kleinen Höhle angekommen, die sich dahinter erstreckte, trat er gerade weit genug zur Seite, um ihr Platz zu machen, und blieb dann stehen. Er fühlte sich mit jedem Moment unwohler. Er sollte nicht hier sein. Er wollte nicht hier sein.
    Auch Graves war stehen geblieben und ließ den Strahl seiner Grubenlampe langsam über die gegenüberliegende Wand mit den Felszeichnungen der Dogon streichen. Nach allem, was Mogens in den zurückliegenden Tagen hier unten gesehen hatte, kamen ihm die einfachen Strichzeichnungen primitiv und ungelenk vor – aber zugleich schienen sie auch etwas zu beinhalten, was all den Hieroglyphen, Basreliefs und Skulpturen im anderen Teil der Anlage abging. Mogens konnte nicht sagen, was, aber es war da.
    Graves ließ seinen Lichtstrahl noch einmal langsam über den Stein tasten, richtete ihn für einen kurzen Moment auf eine bestimmte Stelle – und schaltete die Lampe dann ab. Neben Mogens fuhr Miss Preussler spürbar zusammen.
    »Tom«, sagte Graves, »lösch das Licht.«
    Tom gehorchte, und es wurde schlagartig und absolut dunkel. Miss Preussler sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, und auch Mogens’ ungutes Gefühl nahm schlagartig noch weiter zu. »Doktor Graves, halten Sie es für eine gute Idee, dass …«
    »Still«, unterbrach ihn Graves. Mogens konnte hören, wie er neben ihm in der Dunkelheit eine unwillige Bewegung machte. »Sehen Sie!«
    Im ersten Moment sah auch Mogens weiter gar nichts. Die Dunkelheit erschien ihm absolut. Aber dann erkannte er, dass das nicht stimmte.
    Vor ihnen glomm ein ganz sachter blaugrüner Schein, so unstet wie der Glanz eines leuchtenden Insekts und auch kaum weniger schwach. Selbst in der vollkommenen Dunkelheit, die ringsum herrschte, dauerte es etliche Sekunden, bis sich seine Augen weit genug umgestellt hatten und er das System in dem scheinbar willkürlichen Tanz winziger leuchtender Staubkörner

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