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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Boden.
    Miss Preussler hatte ihn schon zweimal darauf angesprochen, aber er hatte ihre Bedenken jedes Mal mit einer beiläufigen Bemerkung abgetan. Möglicherweise würde ihm das sogar noch einmal gelingen, aber bestimmt nicht öfter.
    Irgendwo vor ihm hielt Graves plötzlich inne, um sich mit ebenso unsicheren wie zornigen Bewegungen, die Mogens mittlerweile nur zu gut kannte, umzusehen. Auch Mogens hielt an. Zwischen Graves und ihm lagen noch gute zehnSchritte, und falls sich herausstellen sollte, dass sie abermals in eine Sackgasse geraten waren und umkehren mussten, waren das zwanzig, hin und zurück gerechnet.
    Mogens erschrak, als er sich seiner eigenen Überlegungen bewusst wurde. Er begann schon mit einzelnen Schritten zu geizen. Wie mochte er sich in einer Stunde fühlen, oder zwei?
    »Ist Ihnen nicht gut, Professor?«
    Selbst Miss Preusslers Stimme benötigte ein paar Sekunden, um den Nebel aus dumpfer Erschöpfung und Furcht zu durchdringen, der sich über seine Gedanken gelegt hatte. Mit einer Bewegung, die sehr viel mehr über seine wirkliche Verfassung aussagte, als ihm lieb war, wandte er sich halb zu ihr herum und schüttelte den Kopf, und er zwang sogar ein halbwegs überzeugendes Lächeln auf sein Gesicht.
    Wenigstens glaubte er, dass es ihm gelang. Aber als er in Miss Preusslers Gesicht blickte, wurde ihm klar, dass es wohl eher zur Grimasse geraten war.
    »Nicht besonders«, gestand er, statt das Gegenteil zu behaupten und sich damit endgültig zum Narren zu machen. »Aber ich halte schon noch durch, keine Sorge.«
    »Selbstverständlich halten Sie durch«, sagte Miss Preussler. Sie drohte ihm – nicht ganz spielerisch – mit dem Zeigefinger. »Sie gehören zu den Menschen, die selbst dann noch behaupten, es ginge ihnen gut, wenn sie mitten im Ozean ohne Rettungsring und mit einem Stein an den Beinen im Meer treiben, ich weiß. Warum müsst ihr jungen Leute immer Tapferkeit mit Starrsinn verwechseln? Es ist keine Schande, zuzugeben, dass es einem schlecht geht, mein lieber Junge.«
    »Ganz so jung bin ich nicht mehr, Miss Preussler«, sagte Mogens sanft.
    »Im Vergleich mit mir schon«, antwortete sie.
    Mogens war der vierzig deutlich näher als der dreißig, aber er sparte es sich, sie auf etwas hinzuweisen, was sie ohnehin wusste. Stattdessen zuckte er vorsichtig mit den Achseln und rettete sich in ein dieses Mal ganz bewusst leicht schiefes Lächeln. »Sie haben Recht«, gestand er. »Es ist mir tatsächlich schon besser gegangen.«
    »Ihre Wunde ist wieder aufgebrochen«, vermutete Miss Preussler. Wenn man in Betracht zog, dass sein Hemd mittlerweile wie ein triefend nasses braunrotes Tuch an seiner Brust klebte, war das allerdings auch nicht sehr schwer zu erraten. Er nickte.
    »Lassen Sie mich sehen«, verlangte Miss Preussler.
    Mogens warf einen raschen Blick zu Graves und Tom hin, bevor er mit einem widerstrebenden Nicken reagierte und noch widerstrebender seine Jacke auszuziehen begann. Die beiden hatten sich nicht von der Stelle gerührt, waren aber offenbar in eine von hitzigem Gestikulieren begleitete Diskussion verstrickt.
    Auch seine Jacke war mittlerweile schwer von Blut. Er legte sie behutsam neben sich auf einen Stein, zog auch das Hemd aus und biss die Zähne zusammen, als Miss Preussler ohne viel Federlesens – oder ihn gar um Erlaubnis zu fragen – damit begann, auch seinen Verband zu lösen.
    »Ist es schlimm?«, fragte er, als sie fertig war und die blutgetränkten Lappen einfach fallen ließ. Ihren Gesichtsausdruck zog er vor lieber nicht zu deuten.
    »Wären wir jetzt zu Hause, würde ich nein sagen«, antwortete Miss Preussler, schüttelte aber trotzdem den Kopf und fügte mit einem aufmunternden Lächeln hinzu: »Das kriegen wir schon hin.«
    »So schlimm?«
    »Wer immer diesen Verband angelegt hat, hatte keine Ahnung«, sagte sie.
    »Ich glaube, es war Tom.«
    »Dann eben ein Ahnungsloser, der in bester Absicht gehandelt hat«, beharrte Miss Preussler. »Aber so schlimm sieht es gar nicht aus. Ich bräuchte nur etwas, um die Wunde vernünftig zu verbinden, dann wird es schon gehen.« Sie überlegte einen Moment, ließ sich dann kurz entschlossen in die Hocke sinken und riss mit einiger Mühe einen handbreiten Streifen aus dem Saum ihres Kleides.
    »Vielleicht sollten wir Tom fragen«, schlug Mogens vor. »Bestimmt hat er auch Verbandszeug in seinem Gepäck.«
    »Ja, bestimmt«, antwortete Miss Preussler und richtete sich schnaubend auf. »Die Arme hoch, und

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