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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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beißen Sie die Zähne zusammen. Es könnte wehtun.«
    Mogens gehorchte. Es tat weh, genau wie sie gesagt hatte, aber es war ein sonderbar wohltuender Schmerz, der ihm zwar im ersten Moment die Tränen in die Augen trieb, aber zugleich auch Linderung versprach. Darüber hinaus legte Miss Preussler den Verband so fest an, dass er ihm fast den Atem abschnürte. Doch das Ergebnis zählte, und das schien zufriedenstellend zu sein. Zwar begann sich auch der improvisierte frische Verband nahezu augenblicklich dunkel zu färben, doch Mogens spürte zugleich auch, wie die Blutung nachließ und dann ganz aufhörte, noch bevor Miss Preussler fertig war.
    »So«, sagte sie aufgekratzt. »Ein paar Stunden Schlaf und eine kräftige Mahlzeit, und Sie sind wieder ganz der Alte.«
    »Ich fürchte, an einem von beidem wird es wohl scheitern«, antwortete Mogens lächelnd. »Aber vielen Dank. Ich fühle mich tatsächlich schon viel besser.«
    »Was, zum Teufel, wird das da?«, erklang Graves’ Stimme hinter ihnen.
    »Miss Preussler hat meinen Verband erneuert«, antwortete Mogens, während er sich gezwungen langsam zu ihm herumdrehte.
    »Und wozu soll das gut sein?«, schnappte Graves. »Wir gehen schließlich nicht auf eine Modenschau!«
    Mogens schluckte die scharfe Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag, und bückte sich nach seiner Jacke. Die Bewegung bereitete ihm zwar Mühe, aber er zog sich trotzdem noch weit umständlicher und langsamer an, als notwendig gewesen wäre – schon weil er spürte, dass Graves sich darüber ärgerte. Das war zwar albern, tat aber ungemein gut.
    »Wohin gehen wir denn?«, fragte er, während er mit zusammengebissenen Zähnen versuchte, so in die Ärmel zu schlüpfen, dass die Wunde nicht sofort wieder aufbrach. »Wieder einmal zurück?«
    Graves’ Gesicht verdüsterte sich noch ein bisschen mehr, aber er gab sich zumindest Mühe, sich zu beherrschen. »Tomhat einen Durchgang gefunden«, antwortete er. »Hier geht es anscheinend nicht weiter.«
    Er schien noch mehr sagen zu wollen, runzelte aber dann nur die Stirn und blickte missbilligend auf die blutigen Verbände hinab, die Mogens achtlos fallen gelassen hatte.
    »Hältst du das für eine kluge Idee?«, fragte er. »Der Geruch könnte die Ghoule anlocken.«
    Wenn es hier unten Ghoule gäbe, dachte Mogens, dann wären sie längst hier. Sie hatten in der guten Stunde, die sie jetzt hier unten waren, nicht eine einzige der Kreaturen zu Gesicht bekommen. Laut und in leicht trotzigem Tonfall sagte er: »Sie sind Aasfresser, Jonathan. Ich glaube nicht, dass sie von Blutgeruch angelockt werden.«
    »Was war noch gleich dein Fachgebiet?«, fragte Graves, während er vergeblich versuchte, die Stoffstreifen mit dem Fuß so unter einen Stein zu schieben, dass man sie nicht mehr sah. »Archäologie? Dann beschränk dich auch darauf, über alte Steine zu sprechen.«
    Mogens schluckte die Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag, und auch Miss Preussler schwieg, obwohl ihr anzusehen war, wie schwer es ihr fiel. Sie hatte kein Wort mehr mit Graves gesprochen, seit seinem schrecklichen Auftritt, und sie hatte offensichtlich nicht vor, etwas daran zu ändern. Mogens wünschte sich beinahe, ebenso klug gewesen zu sein wie sie.
    »Gehen wir?«
    Graves drehte sich auf dem Absatz herum und ging gerade schnell genug los, dass er ihm nicht ohne Anstrengung folgen konnte. Tom war mittlerweile am Ende der schmalen, von lotrecht emporstrebenden schwarzen Wänden gebildeten Gasse verschwunden. Mogens hielt vergeblich nach einer weiteren Tür oder irgendeiner anderen Art von Durchgang Ausschau. Erst als sie das Ende der Gasse nahezu erreicht hatten, erschien wie aus dem Nichts eine knapp anderthalb Meter hohe Öffnung vor ihnen. Dahinter war das weiße, ruhig brennende Licht von Toms Lampe zu erkennen.
    Einfach nur, um es auszuprobieren, trat Mogens wieder einen Schritt zurück, und die Öffnung verschwand. Als ersich wieder nach vorne bewegte, war sie wieder da. Ein weiteres Rätsel, das er wohl niemals lösen würde.
    Was er hinter dieser unheimlichen Öffnung – es fiel ihm selbst in Gedanken schwer, sie »Tür« zu nennen – fand, das war mehr als ein Rätsel. Es grenzte an ein Wunder.
    Mogens hielt verblüfft inne und sah sich in der großen, rechteckigen Kammer um. Die erste Überraschung war die Tür selbst. Wie auch immer diese neuerliche Unmöglichkeit zu erklären war, von dieser Seite aus betrachtet war die Tür eine ganz normale Tür, deutlich

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