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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihm einen kurzen, dankbaren Blick zu, blieb aber weiter so niedergeschlagen, wie er war. »Aber ich hätte es tun sollen«, beharrte er. »Doktor Graves hat … sehr viel für mich getan. Ich weiß, dass Sie nicht viel von ihm halten, Professor, und ich nehm an, dass Sie gute Gründe dafür haben. Aber er hat mir das Leben gerettet, und er hat …« Er suchteeinen Moment lang vergebens nach Worten und hob schließlich die Schultern. »Ich bin ihm auf jeden Fall mehr schuldig, als ich jemals zurückzahlen kann.«
    »Das ist Unsinn, Thomas«, sagte Miss Preussler. »Dieser Mann hat sich mit dem Teufel eingelassen. Du bist ihm gar nichts schuldig. Was immer er für dich getan hat oder auch nicht, geschah ganz gewiss nur aus Eigennutz. Mach dir bitte keine Vorwürfe.« Sie wechselte abrupt das Thema und deutete nach links. »Dort drüben.«
    Ihr ausgestreckter Arm zeigte auf ein monströses Gebäude, das Mogens an eine auf absurde Art detonierte Mastaba erinnerte und aus der Entfernung bunt bemalt und fast freundlich gewirkt hatte. Jetzt wirkten die Farben matt und vermittelten dem Betrachter ein staubiges Gefühl, das es einen fast schwer machte zu atmen. Mogens’ Unbehagen wuchs noch weiter, als er die beiden riesigen Statuen rechts und links des offen stehenden Einganges betrachtete. Aus der Ferne hatte er sie für große Sphinxen gehalten, doch sie waren es nicht. Die gemauerten Wächter, die das Tor flankierten, stellten so wenig eine Sphinx dar, wie die Gestalt auf dem Sarkophag ein Mensch gewesen war.
    »Vielleicht … hätten Sie das Gewehr nehmen sollen, das Graves Ihnen angeboten hat, Professor«, sagte Miss Preussler nervös.
    Mogens hielt einen Moment inne und sah sie überrascht an. Miss Preussler verabscheute Waffen mindestens ebenso sehr wie er, das wusste er. Dennoch nickte sie bekräftigend, als sie seinen verwunderten Blick bemerkte, und fügte mit einer Geste auf ihr Ziel hinzu: »Dort drinnen sind sehr viele von ihnen .«
    »Wenn Doktor Graves Recht hat, dann schlafen sie «, sagte Tom. »Und ich glaub, er hat Recht.«
    »Alle?«, vergewisserte sich Mogens.
    »Doktor Graves hat mir mal erzählt, dass sie nur die Diener der alten Götter waren«, sagte Tom, während sie weitergingen. »Und er war wohl der Meinung, dass es sich noch dazu nur um mindere Kreaturen handelte.«
    »Es gibt keine ›minderen Kreaturen‹, Thomas«, verbesserte ihn Miss Preussler mit einem Unterton von sanftem Tadel.
    »Doktor Graves war jedenfalls der Meinung, sie wären nicht viel mehr als Tiere, die nur für niedrige Arbeiten bestimmt waren«, beharrte Tom. »Oder vielleicht auch so was wie ihre Krieger. Er hat nicht oft mit mir drüber gesprochen, und ich hab auch nicht alles verstanden, wenn ich ehrlich bin. Aber ich glaub, er war der Meinung, dass sie in eine Art … Schlaf versinken, wenn sich das Tor öffnet.«
    »Und wozu sollte das gut sein?«, fragte Miss Preussler.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Tom, fügte dann aber trotzdem – und leiser – hinzu: »Vielleicht fürchten die Götter sie selbst.«
    Miss Preusslers Stimme wurde streng. »Hör endlich mit diesem dummen Gerede von ›Göttern‹ und ›mächtigen Wesen‹ auf, Thomas«, sagte sie. »Es gibt keine Götter, Tom. Nur einen einzigen Gott, und der fürchtet sich ganz bestimmt nicht vor diesen Scheusalen.«
    »Aber Doktor Graves …«, begann Tom.
    »… ist wahnsinnig, so einfach ist das!«, unterbrach ihn Miss Preussler. »Und jetzt will ich nichts mehr von diesem Mann und seinem verrückten Gerede hören!«
    Es war schwer, Toms Reaktion genau einzuschätzen. Im allerersten Moment sah er Miss Preussler beinahe verstockt an, und Mogens glaubte für eine Sekunde sogar so etwas wie blanke Feindseligkeit in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Dann aber zwang er sich zu einem schüchternen Lächeln und setzte zu einer Antwort an – und ein einzelner Schuss peitschte über den Platz.
    Tom fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. »Doktor Graves!«
    Mogens ahnte, was passieren würde, aber er zögerte einen Sekundenbruchteil zu lange. Tom sah sich hektisch um. Sein Blick flackerte, während er vergebens versuchte, die Richtung herauszufinden, aus der der Schuss gekommen war. »Doktor Graves«, keuchte er noch einmal.
    »Tom – nicht! «, schrie Mogens – aber es war zu spät. Tomwirbelte auf der Stelle herum und rannte mit gewaltigen Sätzen davon, und Mogens’ zupackende Hände griffen ins Leere. Tom

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