Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
einfach ausgeschaltet war und Instinkte und ein uralter Überlebenswille die Kontrolle über seinen Körper übernahmen.
    Vermutlich rettete ihm dies das Leben. Mogens konnte hinterher nicht sagen, wie oft er getroffen worden war, wie viele Schläge er hatte einstecken müssen, die unter normalen Umständen mehr als ausreichend gewesen wären, ihn niederzustrecken. Das zappelnde Mädchen immer noch mit eiserner Kraft festhaltend und dichtauf gefolgt von Miss Preussler, die ihm mit hysterischer Stimme irgendetwas zuschrie, was er nicht verstand, taumelte er in den rettenden Korridor und noch zwei oder drei Schritte weiter, bevor er gegen die Wand prallte und hilflos daran zu Boden sank.
    Für einen Moment musste er wohl tatsächlich das Bewusstsein verloren haben, denn das Nächste, woran er sich erinnerte, war, halb liegend, halb mit Schultern und Hinterkopf gegen die Wand gestützt, die Augen wieder zu öffnen und in Miss Preusslers Gesicht hinaufzublicken, die unentwegt an seinen Schultern rüttelte und dabei immer dasselbe Wort schrie, das er erst nach ein paar Sekunden als »Professor!« erkannte.
    »Es ist gut«, nuschelte er fast unverständlich. Seine Zunge wollte ihm nicht richtig gehorchen, und sein Mund war voller Staub. Mit einiger Mühe gelang es ihm, ihre Hand zur Seite zu schieben und sich halbwegs aufzusetzen. Wenigstens hörte sie auf, wie von Sinnen an seinen Schultern zu rütteln, wodurch sein Hinterkopf immer wieder gegen den harten Stein schlug.
    »Geht es Ihnen gut, Professor?«, fragte Miss Preussler. Ihre Stimme bebte vor Sorge.
    Mogens wollte antworten, konnte es nicht und versuchte sich zu räuspern, woran er um ein Haar erstickt wäre. Seine Kehle fühlte sich an, als wäre er von innen gehäutet worden.
    »Geht es Ihnen auch wirklich gut?«, vergewisserte sich Miss Preussler. Mogens zwang sich unter qualvollem Husten und Atemringen zu etwas, was sie zumindest als Nicken deuten konnte, und erstaunlicherweise gab sie sich mit dieser wenig überzeugenden Lüge zufrieden. Nach einem letzten, abschätzenden Blick in sein Gesicht wandte sie sich um und ging zu dem Mädchen, das mit angezogenen Knien auf der anderen Seite des Gangs hockte und ein zerfetztes Bündel gegen die Brust presste. Das Dröhnen und Klingeln in seinen Ohren legte sich allmählich, und Mogens hörte jetzt, dass sie ein leises, auf- und absteigendes Summen von sich gab, in dessen Takt sie den Oberkörper vor und zurück wiegte. Der Anblick berührte ihn auf eine vollkommen unerwartete Weise so tief, dass er ihn nicht länger ertrug und hastig wegsah.
    Allerdings war auch das, was er in der anderen Richtung erblickte, kaum erbaulicher.
    Mogens war im ersten Moment fast froh, sich nicht mehr genau an die letzten Sekunden erinnern zu können. Auch der Gang hatte das Erdbeben nicht unbeschadet überstanden. Ein wirres Muster aus durcheinander laufenden Rissen und Sprüngen durchzog die Decke, und weiter zum Ausgang hin waren die Wände sichtbar zusammengedrückt. Der Saal, der dahinter liegen sollte, war nicht mehr da. Die Tür wurde von einer kompakten Masse aus Steintrümmern und Schutt ausgefüllt. Mogens rann noch im Nachhinein ein eisiges Frösteln über den Rücken, als er begriff, wie knapp sie einem grauenhaften Tod entronnen waren. Und die Gefahr war noch nicht vorbei.
    Mogens räusperte sich – vorsichtiger – noch einmal und sagte mit belegter Stimme: »Wir müssen weiter. Ich bin nicht sicher, ob dieser Gang noch einem weiteren Erdstoß standhält.«
    »Und was geschieht mit ihr?«, fragte Miss Preussler. »Sie wird das Kind nicht zurücklassen.«
    »Dann soll sie es von mir aus mitnehmen«, seufzte Mogens resignierend. »Wir kümmern uns später darum.« Wichtig war jetzt nur, dass sie diese Todesfalle verließen, solange sie dazu noch in der Lage waren.
    Mühsam arbeitete er sich an der Wand in die Höhe und lauschte einen Moment mit geschlossenen Augen in sich hinein. Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals zuvor so schlecht gefühlt zu haben, nicht einmal nach dem Angriff der beiden Ghoule. Aber seine Kraft musste einfach reichen.
    »Kommen Sie?« Ohne Miss Preusslers Reaktion oder die des Mädchens abzuwarten, wandte er sich um und begann mit kleinen, schweren Schritten den Gang zurückzuschlurfen. Erst an der Kreuzung blieb er stehen und sah zurück. Die beiden Frauen folgten ihm, wenn auch in großem Abstand und langsamer, als ihm lieb gewesen wäre. Mogens verbot sich, darüber nachzudenken, wie viel

Weitere Kostenlose Bücher