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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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entging dem niederbrechenden Fuß des Ghouls erneut nur um Haaresbreite. Die skalpellscharfen Krallen an seinen Zehen schlitzten seine Kleidung auf, berührten aber wie durch ein Wunder nicht einmal seine Haut, und Mogens rollte sich verzweifelt auf den Rücken, packte mit beiden Händen nach dem Fußgelenk des Ghoul und trat gleichzeitig nach oben aus.
    Das Ergebnis kam seiner verzweifelten Hoffnung nicht einmal nahe. Obwohl er mit aller Gewalt am Bein des Ungeheuers riss, schien es seine Anstrengungen nicht einmal zu bemerken, und sein hochgerissener Fuß verfehlte die Stelle zwischen den Beinen, an der auch ein Ghoul ganz besonders empfindlich sein musste, und schrammte nur an seinem Oberschenkel entlang. Immerhin schien ihm das wehzutun, denn der Ghoul heulte vor Schmerz und Wut schrill auf und versetzte ihm einen so wuchtigen Tritt, dass er meterweit über den gefliesten Boden rollte und heftig nach Atem ringend liegen blieb. Alles verschwamm vor seinen Augen, und vielleicht gelang es ihm nur aus dem einzigen Grund, nicht dasBewusstsein zu verlieren, weil er wusste, dass er dann nie wieder aufwachen würde.
    Seine Kraft reichte jedoch nicht für mehr. Er wollte sich hochstemmen, aber seine Arme gaben unter dem Gewicht seines eigenen Körpers nach.
    Der Ghoul kam näher, aber er schien es nun nicht mehr besonders eilig zu haben, als wisse er genau, dass ihm sein Opfer nun nicht mehr entkommen konnte – was der Wahrheit ziemlich nahe kam. Mogens war nicht einmal mehr in der Lage, aufzustehen, geschweige denn, zu fliehen.
    Und wohin auch? Wenn die Ghoule aus ihrer unheimlichen Starre erwacht waren, dann gab es hier unten keinen Ort mehr, an dem sie in Sicherheit waren.
    Hinter ihm erscholl ein spitzer Schrei. Der Ghoul fuhr mit einem Knurren herum, und auch Mogens drehte mühsam den Kopf und erblickte Miss Preussler und das Mädchen, die hintereinander durch das Tor getreten waren.
    Miss Preussler starrte das Ungeheuer aus aufgerissenen Augen an, während die junge Frau nicht einmal erschrocken wirkte, sondern allenfalls leise überrascht. Da war auch Angst, aber es war eine vollkommen andere Art von Angst, als Mogens erwartet hätte.
    »Miss Preussler!«, schrie er. »Laufen Sie weg.« Aber es war viel zu spät. Miss Preussler überwand ihre Erstarrung endlich, doch der Ghoul war bereits herumgefahren und hatte sie mit einem einzigen Satz erreicht. Seine mörderischen Fänge blitzten auf und näherten sich Miss Preusslers Kehle.
    Was die Angst um sein eigenes Leben nicht bewirkt hatte, das schaffte dieser Anblick. Mogens sprang hoch, stürzte auf das Ungeheuer zu und rammte ihm mit aller Gewalt die Schulter in die Seite. Diesmal war der Anprall selbst für das Ungeheuer zu viel. Mogens glaubte zwar, sein Schultergelenk knirschen zu hören, und der Schmerz war so schlimm, dass ihm übel wurde und er auf die Knie fiel, aber auch der Ghoul taumelte haltlos zurück und stürzte.
    Unglückseligerweise kam er auch fast ebenso schnell wieder auf die Füße.
    Noch während Mogens mit zusammengebissenen Zähnen aufstand und die Tränen wegzublinzeln versuchte, die ihm der Schmerz in die Augen trieb, kam der Ghoul geduckt und mit pendelnden Armen näher. Geifer tropfte von seinen Fängen, und in seinen Augen funkelte blanke Mordlust. Wenigstens eines begriff Mogens in diesem allerletzten Moment, der ihm vielleicht noch blieb: Diese Kreaturen waren keine Tiere. Mogens hatte noch nie von einem Tier gehört, das aus bloßer Mordlust tötete, doch genau das war es, was er nun sah.
    Das Ungeheuer hatte ihn fast erreicht und hob die Klauen. Mogens überlegte mit einer fast wissenschaftlichen, kalten Neugier, wie ihn die Kreatur wohl töten würde – mit ihren schrecklichen Krallen oder einem raschen Biss in die Kehle –, und sonderbarerweise hatte er fast gar keine Angst; allenfalls vor den Schmerzen, die ihm der Ghoul vielleicht zufügen würde, aber nicht mehr wirklich vor dem Tod.
    Der Ghoul stieß ein heiseres Bellen aus und sprang ihn an, und hinter ihm erscholl ein peitschender Knall, und der Kopf der Bestie explodierte. Der Ghoul wurde mitten im Sprung herumgerissen und stürzte mit unkontrolliert zuckenden Gliedmaßen zu Boden, und Mogens stolperte hilflos einen Schritt zurück und sah sich wild um.
    Ein zweiter, deutlich größerer Ghoul, den er bisher noch nicht bemerkt hatte, stürzte heulend auf ihn zu. Mogens riss entsetzt die Arme vor das Gesicht und stolperte einen weiteren Schritt zurück.
    »Professor!

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