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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zeit ihnen noch bis zum nächsten Erdstoß blieb und wie hart dieser vielleicht wurde.
    Er ereilte sie, als sie die Treppe fast erreicht hatten, und es war der härteste bisher überhaupt. Der gesamte Gang zuckte und wand sich rings um sie herum wie eine riesige, steinerne Schlange, und aus der Tiefe des Labyrinths drang ein nicht enden wollendes dröhnendes Bersten und Poltern. Mogens war zu müde, um noch wirklich zu erschrecken. Er wartete einfach ab, bis der Boden seine Versuche einstellte, ihn abzuschütteln wie ein bockendes Pferd seinen Reiter, und bedeutete Miss Preussler dann mit einer müden Geste, vorauszugehen.
    Sie zögerte. »Aber da sind noch mehr …«, begann sie.
    »Ich weiß«, unterbrach sie Mogens in fast resignierendem und vielleicht gerade deshalb umso nachdrücklicherem Ton. »Aber wir können nicht zurück. Seien Sie froh, wenn wir sie retten können.«
    Miss Preussler maß das dunkelhaarige Mädchen und seine schreckliche Last mit einem langen, traurigen Blick und deutete schließlich ein Nicken an. Wortlos ergriff sie sie am Arm und wollte an Mogens vorbeigehen, aber das Mädchen versteifte sich sofort und starrte Mogens aus weit aufgerissenen, erschrockenen Augen an. Vermutlich hatte er auch noch den allerletzten Rest ihres Vertrauens verspielt, als er versucht hatte, ihr das Kind wegzunehmen. Wortlos drehte er sich herum und begann als Erster die Treppe hinaufzusteigen.

Nein, es war keine Einbildung: Die Treppe war länger geworden, und es kostete ihn erheblich mehr Mühe, sie nach oben zu steigen, als er selbst angesichts seines geschwächten Zustandes erwartet hätte. Es vergingen auch nur wenige Augenblicke, bis er eine Erklärung für diese scheinbare Unmöglichkeit fand: Durch die andauernden Erdstöße musste sich der gesamte unterirdische Teil des Labyrinths um mehrere Meter abgesenkt haben, und eine Laune des Zufalls hatte es gewollt, dass der Treppenschacht nicht zusammengebrochen war, sondern sich wie ein übergroßer Gummischlauch gedehnt hatte, allerdings mit katastrophalen Folgen: Etliche Stufen waren weggebrochen oder so absurd auseinander gezogen, dass Mogens es nicht mehr wagte, sie mit seinem Körpergewicht zu belasten. Der Weg nach oben gestaltete sich dadurch noch mühsamer und kräftezehrender, als er ohnehin befürchtet hatte. Mogens war fast überrascht, als er endlich die letzte Stufe bewältigt und das Tor erreicht hatte.
    Vollkommen ausgelaugt ließ er sich zu Boden sinken. Selbst die kleine Bewegung, den Kopf zu drehen und zu Miss Preussler und dem Mädchen zurückzublicken, verlangte ihm eine fühlbare Anstrengung ab.
    Die beiden Frauen waren ein Stück zurückgefallen, wenn auch nicht so weit, wie er erwartet hatte. Das Mädchen überwand die Stufen mit erstaunlichem Geschick, vor allem, wenn er bedachte, dass sie dabei nur eine Hand zu Hilfe nehmen konnte, während sich Miss Preussler mit einer Art behäbiger Unaufhaltsamkeit bewegte, dass es gar nicht sicher schien, ob sie tatsächlich zum Halten kommen würde, sobald sie ihn erreicht hatte.
    Mogens war nicht besonders versessen darauf, es herauszufinden. Obwohl die kurze Rast nur wenige Sekunden gedauert hatte, fühlte er sich doch weit genug erholt, um aufzustehen und weiterzugehen.
    Um ein Haar wäre es sein letzter Schritt gewesen.
    Vielleicht rettete ihm tatsächlich seine Schwäche das Leben, denn er hatte seine Kräfte eindeutig überschätzt; als er durch das Tor trat, wurde ihm schwindelig, er taumelte undentging dem Klauenhieb des Ghouls, der auf der anderen Seite der Tür lauerte, so um Haaresbreite. Die Krallen des Ungeheuers rissen tiefe Furchen in das schwarze Holz der Tür und überschütteten Mogens mit einem Hagel winziger Splitter, und noch während er zurücktaumelte, nahm er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr, duckte sich ganz instinktiv und entging so wie durch ein Wunder auch dem zweiten, womöglich noch kraftvoller geführten Hieb.
    Dem dritten nicht mehr.
    Es war pures Glück, dass ihn die Pranke des Ungeheuers in der Aufwärtsbewegung traf und nicht mit den tödlichen Klauen. Trotzdem riss ihn der Hieb von den Beinen und schleuderte ihn fast einen Meter weit durch die Luft und mit solcher Wucht gegen die Wand, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Das Monstrum stieß ein fast triumphierend klingendes Bellen aus und setzte ihm nach, und wieder waren es wohl nur seine Instinkte, die ihn retteten. Mogens ahnte die Bewegung mehr, als dass er sie sah, warf sich instinktiv herum und

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