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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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unerschütterlicher Gewissheit, dass keine davon zutraf, und es für diesen entsetzlichen Anblick nur eine einzige Deutung gab, so vollkommen widersinnig sie auch klingen mochte.
    »Sie haben Recht, Professor«, sagte Miss Preussler unsicher. »Ich … versuche es.«
    Man sah ihr an, wie unwohl sie sich fühlte, als sie zum zweiten Mal auf das Mädchen zutrat und – sehr viel behutsamer als gerade – die Hand ausstreckte. Schrecken und Mitleidstanden noch immer überdeutlich in ihrem Gesicht geschrieben, aber der Anteil von Entsetzen darin nahm zu. »Du … musst es hier lassen, verstehst du?«, flüsterte sie. »Ich weiß, wie du dich fühlst. Es … es tut mir unendlich Leid, aber … aber wir können dein Kind nicht mitnehmen.«
    Das Mädchen duckte sich angstvoll, aber immerhin versuchte sie nicht mehr, vor Miss Preussler zurückzuweichen. Sie ließ es sogar zu, dass sie sie sanft in die Arme schloss, presste das blutige Bündel aber nur noch fester an sich.
    Der Boden zitterte ganz leicht. Das grollende Geräusch wiederholte sich nicht, aber von der Decke rieselte mehr Staub, und nicht weit entfernt löste sich ein kopfgroßer Steinquader und krachte zu Boden.
    »Miss Preussler«, sagte Mogens nervös.
    »Du musst es hier lassen, verstehst du mich?«, fuhr Miss Preussler leise fort. Sanft strich sie dem Mädchen mit der Hand über das Haar. Sie duldete die Berührung, doch als Miss Preussler mit der anderen Hand nach dem Bündel in ihren Armen greifen wollte, riss sie sich los und sprang einen Schritt zurück. Ihre Augen blitzten, und sie gab einen Laut von sich, der fast wie das Fauchen einer zornigen Katze klang.
    »Miss Preussler!«, sagte Mogens noch einmal. Sie machte eine unwillige Geste in seine Richtung, fuhr aber fort, beruhigend auf das Mädchen einzureden. Mogens wusste, wie sinnlos es war. Sie konnten ja noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob sie ihre Worte überhaupt verstand.
    »Das hat keinen Sinn«, sagte er. Jetzt war nicht mehr der Moment für Geduld oder sanftmütiges Zureden. Wenn sie nicht innerhalb der nächsten Minuten hier herauskamen, waren sie verloren. Entschlossen trat er auf Miss Preussler zu, schob sie kurzerhand zur Seite und streckte die Hände nach dem Kind aus.
    Das Mädchen schrie gellend. Ihre Fingernägel, abgebrochen und schartig, aber zugleich auch scharf wie Rasierklingen, fuhren über Mogens’ Handrücken und hinterließen tiefe, höllisch brennende Kratzer in seiner Haut, und er konnte gerade noch im letzten Moment den Kopf zurückwerfen, als sieaus der gleichen Bewegung heraus auch nach seinem Gesicht schlug. Ungeschickt stolperte er zur Seite und gegen den stehen gebliebenen Pfeiler, der unter seinem Anprall fühlbar erbebte. Mehr Staub rieselte von der Decke. Der Boden erzitterte, und diesmal hörte er nicht nach ein paar Sekunden wieder damit auf, sondern das Vibrieren und Schütteln hielt an, und auch das unheimliche Grollen und Stöhnen war wieder da. Mogens war jetzt sicher, dass es nicht das Geräusch von Felsmassen und Steinen war, die sich aneinander rieben, sondern tatsächlich die Luft selbst, die unter den unvorstellbaren Gewalten aufstöhnte, die sich tief unter ihnen im Herzen der Erde zusammenballten.
    Mogens begriff mit einer Art sonderbar teilnahmslosem Entsetzen, dass es nicht sein Anprall gewesen war, der die Säule zum Erzittern gebracht hatte. Was er befürchtet hatte, bewahrheitete sich: Es war das nächste Beben, und obwohl der Boden unter ihnen nur ganz sacht erzitterte, spürte er doch, dass es nicht aufhören, sondern das schlimmste bisher überhaupt werden würde. Aus dem vereinzelten Rieseln von Staub und winzigen Steinchen wurde ein anhaltendes, sandiges Geräusch, wie der Laut eines schmirgelnden Wasserfalls, in dessen Zentrum sie sich befanden, und er konnte den unbarmherzig größer werdenden Druck, der auf dem steinernen Pfeiler in seinem Rücken lastete, fast körperlich spüren.
    »Raus hier!«, schrie er. Miss Preussler starrte ihn nur aus großen Augen an, und auch das Mädchen blieb weiter in seiner geduckten, abwehrbereiten Haltung stehen, das tote Kind schützend an die Brust gepresst und die andere Hand – tatsächlich zu einer Kralle verkrümmt – drohend halb erhoben. Irgendwo polterte ein Stein. Etwas streifte Mogens’ Schulter und bohrte sich unmittelbar neben ihm mit solcher Gewalt in den Boden, dass ein Hagel winziger Steinsplitter gegen sein Bein prallte, und Mogens ließ alle Rücksicht fahren und war

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