Anubis - Roman
finsterenGang dahinter zu treten, und auch seine wissenschaftliche Neugier, die er jetzt immer heftiger fühlte, änderte daran nichts. Er war Forscher – Archäologe –, und er sollte keine Angst davor haben, in einen unbekannten Raum einzudringen. Aber er hatte Angst.
Mogens überwand seine Furcht, atmete noch einmal tief und hörbar ein und trat durch die Tür. Graves folgte ihm in so geringem Abstand, dass er seinen Atem im Nacken spüren konnte, und quetschte sich – vollkommen widersinnig – an ihm vorbei, kaum dass sie den angrenzenden Gang betreten hatten. »Warte einen Moment.«
Mogens blieb gehorsam stehen und versuchte mehr Einzelheiten seiner neuen Umgebung zu erkennen, während Graves sich ein paar Schritte entfernte und lautstark herumzuhantieren begann. Einen Moment später konnte er hören, wie ein Streichholz angerissen wurde, dann flammte das unangenehm grelle Licht einer Karbidlampe auf.
In ihrem Schein erkannte Mogens eine Wand aus metergroßen, fast ohne Fugen aufeinander gesetzten Steinquadern. Anders als in der Grabkammer gab es hier keine Wandmalereien oder Reliefs. Der Gang war gute sechs Fuß hoch und so schmal, dass Mogens sich unwillkürlich fragte, wie Mercer seine gewaltige Leibesfülle hindurchgequetscht haben mochte, von der schmalen Geheimtür gar nicht zu reden. Er stellte die Frage laut.
»Du bist der Erste, der diese Gänge sieht, Mogens«, antwortete Graves, während er seine Lampe herumschwenkte und den schmalen Tunnel entlangzugehen begann. Es war eine sehr starke Lampe, deren Strahl bestimmt fünfundzwanzig oder dreißig Schritte weit reichte, bevor er allmählich zu verblassen begann. Zumindest auf diesem Stück sah er nichts als gleichförmige Wände aus graubraunen Steinquadern.
»Du hast es Mercer und den anderen nicht gezeigt?«, wunderte sich Mogens. »Warum?«
»Gedulde dich nur noch einen kleinen Moment«, sagte Graves. »Dann wirst du mich verstehen.«
Mogens verzog das Gesicht, aber er ersparte sich jede weitere Frage. Graves war offensichtlich entschlossen, dieses alberne Spiel bis zum Ende zu führen. Dennoch hatte Graves ihm eine Frage beantwortet, die Mogens beschäftigte, seit er Mercer, Hyams und McClure getroffen hatte. Er begriff vor allem Hyams’ unübersehbare Ablehnung jetzt ein wenig besser. Sie war Archäologin, und nach Mercers und Graves’ Aussage eine der besten dieses Landes, doch Graves hatte nicht sie zu Rate gezogen, um das allergrößte Geheimnis dieses Tempels zu lüften, sondern einen Fremden geholt, und noch dazu jemanden, der zwar auf einem verwandten Gebiet arbeitete, aber definitiv kein Ägyptologe war. Jeder an ihrer Stelle wäre verletzt gewesen; und Wissenschaftler waren ein ganz besonderes Völkchen, was Empfindlichkeiten und Eitelkeit anging.
»Pass auf.« Graves wedelte mit seiner Lampe. »Dort vorne wird es ein wenig holperig.«
Vor ihnen war ein Teil der Tunneldecke eingestürzt, und heruntergefallene und zerbrochene Steinquader bildeten ein Gewirr aus Steintrümmern, Schutt und scharfkantigen Spitzen, das Mogens auf den ersten Blick schier undurchdringlich erschien. Graves marschierte jedoch in scharfem Tempo darauf zu, bückte sich mit einer Bewegung, die allein schon verriet, wie oft er diesen Weg schon gegangen war, unter einem schräg aus der Decke ragenden Felsquader hindurch, und war im nächsten Augenblick einfach verschwunden. Mit ihm erlosch das Licht.
Mogens verspürte ein kurzes, aber heftiges Aufwallen von Panik, als die Dunkelheit wie eine Woge aus klebriger Schwärze über ihm zusammenschlug, aber das Licht kehrte zurück, bevor die Furcht endgültig Gewalt über ihn erlangen konnte.
»Komm schon, Mogens!« Graves’ Stimme klang plötzlich gedämpft. »Aber pass auf, wohin du trittst.«
Mogens duckte sich unter dem Steinquader hindurch und blinzelte in das grelle Licht, das durch einen unregelmäßigen Spalt in dem Schutthaufen fiel, der den Tunnel blockierte.Spätestens hier wäre der Weg für Mercer ohnehin zu Ende gewesen. Der Spalt war so schmal, dass sich Mogens fast wunderte, wie Graves, der ein gutes Stück größer war als er selbst und auch deutlich breitschultriger, es fertig gebracht hatte, hindurchzukriechen.
Auch Mogens war nicht besonders wohl beim Anblick des schmalen Felsspalts. Wäre er allein gewesen, so hätte er in diesem Moment vermutlich kehrtgemacht. Vor Graves jedoch konnte er sich diese Blöße unmöglich geben, also ließ er sich auf Hände und Knie sinken und folgte
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