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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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die üblichen Gestalten aus der ägyptischen Götterwelt, Pharaonen und Schlachtenszenen, Kartuschen mit Hieroglyphen und vage vertraut anmutende Symbole – aber da war noch mehr. Zwischen den vertrauten Abbildern von Horus, Seth und Anubis waren andere, düsterere Umrisse: bizarr verformte Gestalten, die nichts ähnelten, was Mogens jemals gesehen hatte, ihn aber trotzdem mit einer kreatürlichen Furcht erfüllten, die es ihm fast unmöglich machte, die Bilder länger anzusehen. Dazwischen waren Schriftzeichen, sinnlos einander überschneidende Linien, die keinem erkennbaren Muster folgten, in Mogens aber das unheimliche Gefühl wachriefen,sich in einer nicht wirklich sichtbaren, aber dennoch vorhandenen Bewegung zu befinden.
    »Was … ist das?«, murmelte er. Lag es wirklich nur an seiner eigenen Furcht, dass er das Gefühl hatte, irgendetwas aus den Gestalten, die sie umgaben, reagiere mit einer unwilligen Regung auf seine Frage?
    »Ich hatte gehofft, du könntest es mir sagen«, antwortete Graves. Er klang nicht wirklich enttäuscht. Vielmehr so, als wäre auch das die sorgsam zurechtgelegte Antwort auf eine Frage, die er vorausgesehen hatte. Nicht zum ersten Mal begriff Mogens, dass Graves noch immer mit ihm spielte. Der Gedanke machte ihn wütend.
    Graves gab ihm jedoch keine Gelegenheit, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen, denn er trat von der Wand zurück und ging weiter. Während Mogens ihm folgte, vermied er es bewusst, die unheimlichen Bildnisse auf den Wänden genauer anzusehen. Aber es nutzte nichts. Es war, als hätte er sich besudelt, indem er die grässlichen Malereien nur mit seinen Blicken berührt hatte. Irgendetwas war in ihm zurückgeblieben, das er nicht los wurde, einem schlechten Geschmack auf der Zunge gleich, nachdem man in ein verdorbenes Lebensmittel gebissen hatte, und der sich einfach nicht fortspülen ließ. Dasselbe galt für etliche der zerbrochenen Statuen, an denen sie vorüberkamen. Viele hatten gewohnte Formen, aber nicht alle, und manche waren dergestalt, dass Mogens es vorzog, sie nicht genauer in Augenschein zu nehmen.
    Eher um sich abzulenken, sah er in die andere Richtung und versuchte, sich über die sonderbare Symmetrie der unterirdischen Zeremonienkammer klar zu werden, aber auch dieser Versuch schlug fehl. Er war mittlerweile nicht einmal mehr sicher, ob seine erste Einschätzung richtig gewesen war. Vielmehr schien sich die Kammer auf fast unheimliche Weise jedem Versuch zu entziehen, ihre genaue Form zu erfassen; als wäre sie nach den Regeln einer Geometrie erbaut, die nicht die der Menschen war.
    Graves steuerte eine breite, aus einem knappen halben Dutzend Stufen bestehende Treppe an – alle nicht nur unterschiedlich hoch, sondern auch auf eine mit Worten kaum zu beschreibende Weise in sich gedreht und verzerrt, die es nahezu unmöglich machte, sie auch nur anzusehen –, die zu einem fast deckenhohen Tor aus grauem Metall hinaufführte. Etwas in Mogens’ Seele schien sich zusammenzuziehen, als er den Fehler beging, die düsteren Linien und Symbole anzusehen, die in das uralte Metall graviert waren.
    Ohne dass es ihm selbst bewusst war, wurden seine Schritte immer langsamer, und ein leises Schwindelgefühl ergriff von ihm Besitz, als er hinter Graves die Treppe hinaufging. Der schwarze Stein unter ihm fühlte sich richtig an, aber er sah einfach nicht so aus, als wäre er für menschliche Füße gemacht – oder für die Füße auch nur irgendeines Wesens, das er sich vorstellen konnte.
    Graves ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken, auch wenn Mogens sie deutlich spürte, sondern wartete schweigend, bis er neben ihm angelangt war, bevor er die Laterne hob, um eine der beiden monströsen Statuen zu beleuchten, die das zweigeteilte Tor flankierten.
    Um ein Haar hätte Mogens aufgeschrien.
    Die Statue war an die sieben Fuß hoch und bestand aus schwarzem Gestein, das trotz seines sichtbaren Alters glänzte wie sorgsam polierter Marmor. Sie zeigte eine massige, zweibeinige Gestalt, die auf einem ungleichen, mit bedrohlichen Bildern und Symbolen übersäten Würfel hockte; ein missgestalter, aufgeblähter Balg wie der einer Kröte, plumpe, in breiten Schwimmfüßen endende Beine und muskulöse Arme, die in ebenfalls fischartigen, dennoch aber mit grauenhaften Krallen bewehrten Händen mündeten, die wie zur Verhöhnung eines Gebets im Schoß der grotesken Kreatur gefaltet waren. Ein Kranz aus Dutzenden schlängelnder Tentakel säumte den massigen Schädel, aus

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