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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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musste sich ein weit größerer Hohlraum erstrecken, denn das weiße Karbidlicht verlor sich einfach, ohne auf Widerstand zu treffen.
    »Bleib oben«, drang Graves’ Stimme aus der Dunkelheit an sein Ohr. »Ich mache Licht.«
    Mogens hörte ihn einen Moment in der Schwärze unter sich hantieren, dann vernahm er einen Laut, der ein flüchtiges, aber schadenfrohes Lächeln auf seinen Lippen erscheinen ließ: das unverkennbare Geräusch, mit dem ein Kopf gegen Stein prallte, direkt gefolgt von einem nur unzulänglich unterdrückten Fluch. Im nächsten Moment wurde ein Streichholz angerissen und Graves’ Gestalt tauchte im warmen Licht einer Petroleumlampe auf, deren Docht allmählich höher gedreht wurde. Mogens erkannte Wände aus großen behauenen Felsquadern, ähnlich denen draußen im Gang, nur dass diese hier mit Malereien und Reliefarbeiten bedeckt waren. Als Graves sich zu ihm umdrehte, hatte er den flüchtigen Eindruck, eine zweite, massige Gestalt zu sehen, die unweit von Graves in der Dunkelheit stand.
    »Lass den Scheinwerfer oben«, sagte Graves. »Aber löschdas Licht. Die Kartusche hält nicht sehr lange, und wir brauchen sie für den Rückweg.«
    Während Mogens gehorchte, entzündete Graves eine weitere Laterne. Der Kreis von Helligkeit, in dem er stand, war nun deutlicher zu sehen, ohne allerdings nennenswert größer zu werden. Eine der Lampen reichte er an Mogens weiter, als dieser bei ihm angelangt war, die zweite nahm er selbst. Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort um und ging los.
    Mogens folgte ihm mit einem Gefühl wachsenden Staunens, das sich aber mehr und mehr mit Unglauben, ja fast einem Empfinden von Unwirklichkeit vermischte, je tiefer sie in den Raum eindrangen und je mehr sich seine Augen an das veränderte Licht gewöhnten.
    Sein allererster Eindruck war, sich in einer weiteren Grabkammer oder vielleicht auch einem Tempel zu befinden, ähnlich der oberen Kammer, aber dieser Eindruck hielt nur wenige Momente an. Die Kammer war ungleich größer als die oben, dafür aber nicht einmal annähernd in so gutem Zustand. Etliche der fast mannsdicken Säulen, die die Decke trugen, waren umgefallen und zerborsten, und an mindestens einer Stelle war auch die Decke selbst heruntergebrochen, sodass Steinquader und nachgesacktes Erdreich und Steine einen gewaltigen Schuttberg bildeten. Auch die Wandmalereien und Reliefs befanden sich in keinem guten Zustand. Die Farben waren so verblasst, dass die Bedeutung der meisten Bilder nur noch zu erahnen war, und selbst die in den Stein gemeißelten Linien waren überall ausgebrochen. Es gab auch hier zahlreiche kleine und große Statuen, die menschliche Gestalten, aber auch ägyptische Gottheiten darstellten, doch die meisten davon waren von ihren Sockeln gestürzt oder auf andere Weise zerbrochen. Dennoch kam ihm irgendetwas daran … falsch vor, ohne dass er imstande gewesen wäre, das Gefühl in Worte zu kleiden.
    Das Sonderbarste überhaupt aber war die Form des gesamten Raumes. Das Licht der beiden Sturmlaternen reichte nicht annähernd, um ihn vollends zu erhellen, aber Mogenserkannte dennoch nach einer Weile, dass die Kammer einen achteckigen Grundriss hatte – was für einen altägyptischen Sakralraum absolut untypisch war.
    Sie hatten den Raum mehr als zur Hälfte durchquert, als Mogens stehen blieb. Graves ging noch zwei oder drei Schritte weiter, bevor auch er innehielt und sich wieder zu ihm umdrehte.
    »Nun?«, fragte er. »Habe ich zu viel versprochen?«
    »Das ist unglaublich«, murmelte Mogens. »Aber wieso hast du es für dich behalten? Großer Gott, Jonathan – Doktor Hyams würde ihre Seele verkaufen, um nur einen einzigen Blick auf das hier zu werfen!«
    »Ich kann Suzan hier unten nicht gebrauchen«, antwortete Graves. »So wenig wie einen der anderen.«
    »Aber mich?«, wunderte sich Mogens. »Wieso?«
    Statt direkt zu antworten, sah ihn Graves auf eine Art an, die Mogens ein Frösteln den Rücken hinablaufen ließ, dann ging er mit schnellen Schritten weiter und steuerte die nächstgelegene Wand an. Er sagte immer noch nichts, wartete aber mit nun sichtbarer Ungeduld, bis Mogens zu ihm aufgeschlossen hatte, und hob dann seine Laterne höher. Mogens setzte zu einer weiteren Frage an.
    Aber er sagte nichts. Sein Blick tastete immer hektischer und ungläubiger über die Wand, und er spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Auch diese Wand war übersät mit Malereien und zum Teil ebenfalls ausgemalten Reliefarbeiten. Da waren

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