Anubis - Roman
Mogens«, antwortete Graves. »Du wirst Janice nicht zurückbekommen, und auch die beiden anderen werden gewiss nicht wieder lebendig – aber du könntest deine Ehre wiederherstellen. Keiner dieser so genannten ernsthaften Wissenschaftler, die damals über dich gelacht haben, wird es noch wagen, dir zu widersprechen, nachdem er das hier gesehen hat. Alle, die dich damals einen Verrückten genannt haben, werden sich bei dir entschuldigen! Sie werden katzbuckeln und kriechen und dir die Stiefel lecken, nur um einen einzigen Blick hierauf werfen zu dürfen!« Seine Stimme wurde leiser, war nun wie das Flüstern des Verführers, und genau wie dieses erfüllte sie ihren Zweck, obwohl er die Absicht dahinter erkannte. »Du wirst der Erste sein, Mogens. Der erste Wissenschaftler der Welt, der beweist, dass es Magie wirklich gibt.«
Hätte es Graves’ Hilfe nicht bedurft, um den Rückweg aus dem versiegelten chthonischen Labyrinth zu finden, so wäre er die gesamte Strecke zurück in seine Blockhütte gerannt, schon, um aus Graves’ unmittelbarer Nähe zu entkommen. Aber es war ein sinnloses Unterfangen. Er hasste Graves. Er hasste ihn in diesen Momenten so sehr, dass er allein deshalb nicht mehr in seiner Nähe bleiben konnte, weil er sich selbst nicht mehr traute. Er hasste Graves, weil alles wieder da war, weil die Begegnung mit ihm alles zurückgebracht hatte, jeden Schmerz, jede Sekunde der Verzweiflung, jede Nacht voller Selbstvorwürfe und Leid. Und weil er Recht hatte.
Denn eines war klar: Mogens würde ihm helfen. Er war noch weit davon entfernt, es sich selbst einzugestehen, aber er wusste, dass Graves am Ende siegen würde. Ganz einfach, weil jedes Wort, das er gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.
Zornig und frustriert, wie er gewesen war, hatte er sich auf sein zerwühltes Bett fallen lassen und die nächste Stunde damit verbracht, die Decke über sich anzustarren und vergeblich zu versuchen, Ordnung in das Chaos hinter seiner Stirn zu bringen. Womöglich hätte er noch viel länger so dagelegen, hätte es nicht irgendwann an der Tür geklopft und Tom wäre hereingekommen.
Mogens stemmte sich erschrocken auf die Ellbogen hoch und blinzelte den blond gelockten Jungen einen Moment lang verwirrt an. Er konnte sich nicht erinnern, mit einem »Herein!« auf Toms Klopfen geantwortet zu haben, aber es war ihm aus irgendeinem Grund ungemein peinlich, dass Tom ihn hier am helllichten Tag auf dem Bett liegend antraf. Er richtete sich hastig weiter auf und schwang die Beine vom Bett.
»Tom.«
»Professor.« Tom schob die Tür hinter sich zu und schien für einen Moment nicht mehr zu wissen, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Er trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
»Ja?« Mogens stand endgültig auf und ging zum Tisch, machte aber dann wieder kehrt und ließ sich erneut auf die Bettkante sinken. Der einzige Stuhl in seinem Quartier war der, auf dem Graves vorhin gesessen hatte, und Mogens brachte es einfach nicht über sich, darauf Platz zu nehmen.
»Sie … Sie waren mit dem Doktor unten?«, begann Tom unsicher. Er sah Mogens nicht an.
»Ja.«
»Und er hat Ihnen alles gezeigt? Den geheimen Gang und …«
»Ich habe ihm nichts gesagt, wenn es das ist, was dir Angst macht«, sprang Mogens ein, als Tom nicht weitersprach, sondern nur die Unterlippe zwischen die Zähne zog und immernervöser von einem Bein auf das andere trat. »Er weiß nicht, dass du sein Geheimnis kennst.«
Tom atmete erleichtert auf, aber seine Nervosität blieb. »Den Gang, und den … den Raum dahinter?«
»Du warst in der Kammer?«, entfuhr es Mogens überrascht.
»Nur einmal«, antwortete Tom hastig. »Und auch nur ganz kurz. Dieser Raum war mir unheimlich. Ich hab nichts angerührt, das schwör ich!«
»Das glaube ich dir«, antwortete Mogens, was der Wahrheit entsprach. Selbst er hätte in dieser unheimlichen Kammer freiwillig gewiss nichts angerührt. »Keine Sorge, Tom – ich habe nichts gesagt, und ich werde auch nichts sagen.« Er machte eine rasche Geste, als Tom erleichtert aufatmete und unverzüglich dazu ansetzte, die Hütte zu verlassen. »Aber ich habe eine andere Frage an dich, Tom.«
Die Erleichterung, die kurzfristig in Toms Augen aufgeblitzt war, erlosch wieder und machte neuer, mit Misstrauen gepaarter Furcht Platz. »Ja?«
Mogens wiederholte seine wedelnde Handbewegung, mit der er diesmal aber auf den Stuhl deutete, auf dem er gerade selbst beinahe Platz genommen hätte. Tom folgte seiner
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