Anubis - Roman
für die »Maulwürfe« aus dem Lager der Geologen ganz sicher mehr als eine kleine . Tom erzählte wie von Dingen, die unendlich lange zurücklagen, aber er war siebzehn , und das bedeutete, dass sich der Sumpf in kaum mehr als einem Jahrzehnt über die Lichtung hinweg und bis zum Friedhof hin ausgedehnt hatte. Auch wenn Mogens kein Fachmann auf diesem Gebiet war, so war das doch nach seinem Dafürhalten schlechterdings unmöglich. Und Graves wunderte sich, dass das Geologenteam darauf drängte, seine Nachforschungen fortzusetzen?
»Ich danke dir«, sagte er. »Du hast mir wirklich sehr geholfen. Und keine Sorge«, fügte er hinzu, als er das unruhige Flackern in Toms Augen registrierte, »… Doktor Graves wird nichts von unserem kleinen Geheimnis erfahren.«
»Danke«, sagte Tom. »Ich …« Er verstummte, sah Mogens noch eine schier endlose Sekunde lang gleichermaßen erleichtert wie zweifelnd an und rannte dann regelrecht aus dem Haus.
Mogens sah ihm mit einer Mischung aus Erleichterung und einer sonderbaren Art von Verwirrung hinterher. Das Gespräch mit Tom hatte ein seltsames Gefühl in ihm hinterlassen. Er hatte keinen Grund, Tom zu misstrauen. Was er gesagt hatte, klang schlüssig und überzeugend, und viel wichtiger noch: Er hatte gespürt , dass Tom die Wahrheit sagte.
Warum also misstraute er ihm immer noch?
Mogens gab sich die Antwort auf seine eigene Frage selbst: Weil er niemandem mehr traute. Weder Tom noch Graves und am allerwenigsten sich selbst.
Er stand mit einem Ruck auf. Es nutzte niemandem, wenn er sich weiter Selbstzweifeln und -vorwürfen hingab. Mogens führte sich mit Gewalt vor Augen, dass er Wissenschaftler war, ein Mann, der gelernt hatte, Fakten zu beurteilen, nicht Gefühle. Den »Blick für das Wesentliche« zu bewahren, wie es sein Doktorvater in Harvard immer ausgedrückt hatte.
Um ein Haar hätte Mogens laut aufgelacht, als ihm klar wurde, was er gerade gedacht hatte. Der einzige Grund, aus dem er hier war, war der Orkan von Gefühlen, den Graves’ Besuch in Thompson in ihm ausgelöst hatte. Und was, wennnicht das, was er gefühlt hatte, hatte zu seiner Entscheidung geführt, Graves’ unsittliches Angebot anzunehmen und hier zu bleiben, ja, ihm sogar dabei zu helfen , das monströse Geheimnis des unterirdischen Tempels zu lösen, statt das zu tun, was er tun sollte – nämlich von hier zu verschwinden, so schnell und so weit fort er nur konnte?
Nur um seine Hände zu beschäftigen, begann Mogens den Tisch abzuräumen, auf dem noch das Frühstück stand, das Tom für ihn zubereitet hatte. Mogens hatte es nicht angerührt, abgesehen von dem starken Kaffee, den Tom ihm gekocht hatte, aber allein der Anblick der längst kalt und unansehnlich gewordenen Speisen – Rührei, Speck und gebutterter Toast – erinnerte ihn daran, dass er seit dem vergangenen Abend nichts mehr gegessen hatte. Mittlerweile war es fast wieder Mittag. Sein Magen knurrte. Die Speisen boten keinen Anblick, der dazu angetan gewesen wäre, ihn irgendetwas davon essen zu lassen, aber in der Kanne befand sich noch ein Rest Kaffee. Auch er war längst kalt, aber Mogens hatte kalten Kaffee heißem schon immer vorgezogen. Er griff nach der zerquetschten Tasse und stockte mitten in der Bewegung, als er sich erinnerte, dass es Graves gewesen war, der die Tasse nicht nur zerdrückt, sondern auch aus ihr getrunken hatte. Mogens wäre eher verdurstet, als dass er seinen Lippen gestattet hätte, diesen Becher zu berühren.
Dennoch stockte er für einen Moment mitten in der Bewegung, und sein Gesicht verzog sich angewidert. Mogens war plötzlich nicht mehr sicher, dass es sich auch wirklich um die gleiche Tasse handelte, aus der Graves getrunken hatte. Sie war zu einem Stück Blechschrott verformt, und auf ihrem Boden befand sich noch ein kleiner Rest Kaffee – aber sie erinnerte trotzdem mehr an etwas, das man nach einem langen Winter im Wald gefunden hatte. Die Emaille war gerissen und abgeplatzt und das Metall, das darunter zum Vorschein kam, rostig und verwittert. Als Mogens eine unvorsichtige Bewegung machte, drohte der Griff abzubrechen, und der winzige Rest Kaffee, der sich noch darin befand, glänzte ölig; kleine grüne Klumpen schwammen auf seiner Oberfläche,und darüber hatte sich ein ekelhafter Belag abgesetzt, der in Mogens Bilder von verwesenden Dingen wachrief, die irgendwann einmal gelebt hatten und nun zu einer anderen, ungesunden Form von Leben wurden.
Mit spitzen Fingern stellte er die
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