Anubis - Wächter im Totenreich
von den Mumien.
Ich ging als nächster. Auch mich nahmen die uralten, lebenden Toten in die Mitte und begleiteten mich auf das Schiff. Als mein Blick den des Professors traf, las ich in dessen Augen Verzweiflung. Ihm gegenüber mußte ich Aufstellung nehmen. Es war der etwas schmalere Bug. Mit dem Rücken stand ich zu ihm, schaute nach vorn und blickte somit über das Schiff.
Per-nio kam als letzter.
Würdevoll betrat er seine eigene Totenbarke, die man ihm vor Tausenden von Jahren in das Grab gestellt hatte. An seinem Gesicht waren keinerlei Gefühle abzulesen. Neben seinem Sarkophag blieb er stehen, hob die Hand mit dem Dolch und ließ sie wieder nach unten fallen.
Das Signal.
Ein zittern durchlief das Boot. Auch ich spürte es in den Knien, und im nächsten Augenblick glitten die Aufbauten des normalen Schiffes langsam vorbei.
Eine der seltsamsten Reisen, die ich je unternommen hatte, nahm ihren Anfang…
***
Wütend und zähneknirschend blieb Suko mit den anderen Passagieren zurück.
Einen Toten hatte es gegeben. Ausgerechnet der Kapitän, dessen Gesicht nur mehr eine verbrannte Fläche war. Er trug seine weiße Uniform, lag auf dem Rücken, und zahlreiche Zuschauer konnten in das sehen, was einmal sein Gesicht gewesen war.
Die meisten wandten sich ab, weil der Anblick einfach zu scheußlich war. Die Barke verschwand.
Sie war wieder entmaterialisiert und dennoch vorhanden. So glitt sie auch über das gewaltige Oberdeck und durchstieß Hindernisse, ohne sie im eigentlichen Sinne zu berühren.
So etwas ermöglichte allein die Schwarze Magie, für deren Ursprung es kaum eine Erklärung gab.
Alle schauten dem geheimnisvollen Schiff aus einer Zeit nach, dessen Besatzung durch zwei Menschen aus der Gegenwart verstärkt worden war. Ein Phänomen, nicht faßbar, mit dem man sich abzufinden hatte. Die Barke entschwand. Sie hatte das normale Schiff verlassen, die Reling lag hinter ihr, und Suko starrte diesem unheimlichen Schiff aus der Vergangenheit mit flammenden Blicken nach.
Er hob den Kopf, schaute in den Himmel und glaubte erkennen zu können, daß sich der grün leuchtende Schakalschädel des Anubis immer weiter zurückzog, wobei er den gleichen Weg einschlug, wie ihn die Barke genommen hatte.
Damit löste sich auch der Bann, der bisher über den Menschen an Bord gelegen hatte.
Obwohl die Persönlichkeit der Passagiere nicht völlig ausgeschaltet gewesen war, hatten sie die schaurigen Vorgänge jedoch wie im Traum miterlebt, und nun erwachten sie aus ihm.
Sie starrten sich an.
Unverständnis und Nichtbegreifen lagen in ihren Blicken. Und sie sahen auch den Toten.
»Mein Gott!« Es war die schrille Stimme einer Frau, die die Stille zerriß.
»Das ist ja der Kapitän.«
Im Nu entstand ein Chaos.
Plötzlich redeten alle durcheinander. Jeder wollte etwas sagen und seine Meinung bekanntgeben, doch auf keinen wurde gehört. Suko entzog sich dem allgemeinen Trubel. Glasklar stand vor seinen Augen, wie er sich jetzt zu verhalten hatte. Er mußte dieser unheimlichen Totenbarke folgen.
Schwimmend schaffte er das natürlich nicht. Es gab nur die Möglichkeit: mit einem Boot.
Ein großes Schiff wie dieser Nildampfer besaß natürlich auf jedem Deck zahlreiche Rettungsboote. Darunter befanden sich auch einige Schlauchboote und die waren jeweils mit einem Motor ausgerüstet. Ein kleiner Außenborder, der seine Pflicht tat.
Auf so ein Boot spekulierte der Inspektor. Mit dem Lift fuhr er nach unten.
Wahrscheinlich würde sein Verschwinden überhaupt nicht auffallen. Die Leute hatten genug mit sich selbst zu tua schließlich konnte man die Ereignisse nicht so ohne weiteres wegstecken. Wahrscheinlich würde die Flußpolizei und auch das Militär informiert werden. Wenn die offiziellen Stellen eintrafen, wollte Suko verschwunden sein. Das jedenfalls hatte er sich fest vorgenommen. Zudem mußte er ständig an John Sinclair denken. Der Geisterjäger und der Professor waren Gefangene dieser seltsamen Totenbarke. Lebendig sollten sie begraben werden. Vielleicht ähnlich wie Aida und ihr Geliebter Radames, die in der Oper den Tod gefunden hatten. Eingemauert bei lebendigem Leibe…
Der Lift stoppte. Die Türen schoben sich zur Seite. Suko blieb einen Moment stehen, orientierte sich und fand nur wenige Passagiere in der Nähe. Die meisten harten sich doch auf den oberen Decks verteilt. Von dort besaßen sie zudem einen besseren Ausblick.
Suko huschte zu den Rettungsbooten. Er hörte das Klatschen der Wellen.
Die
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