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Anwältin der Engel

Titel: Anwältin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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zurück an den Tisch.
    »Meine Güte«, sagte Bree. »In Ihnen steckt ja mehr, als man auf den ersten Blick vermutet.«
    »Tja.« Madison wickelte sich eine Strähne ihres Haars um den Finger. »Sie ist ganz okay – als Mutter. Trotzdem komme ich mit meinem Dad besser aus. Der ist wesentlich mehr auf Zack. Und dem ist es völlig wurscht, ob ich auf eine Privatschule gehe und mit einer Chandler befreundet bin.«
    »Ihnen auch?«
    Madison zuckte die Achseln, und zwar auf eine Weise, wie Bree es schon bei Lindsey erlebt hatte – das typische Achselzucken einer Siebzehnjährigen, das ausdrückte: »Sie haben doch null Ahnung.« Dann grinste Madison. »Na ja, vermutlich nicht. Ich meine, es ist besser, reich zu sein als arm, stimmt’s?«
    Nein. Zumindest war Bree nicht dieser Ansicht. Sie war jedoch ehrlich genug zuzugeben, dass sie das wahrscheinlich ganz anders sehen würde, wenn sie in einem Sozialbau aufgewachsen wäre. Deshalb sagte sie lediglich: »Ich glaube, das hängt ganz davon ab, wie man damit umgeht.«
    Madison zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Tja, vermutlich haben Sie recht. Na egal. Was Lin betrifft … Wie groß ist denn nun eigentlich der Schlamassel, in dem sie steckt?«
    »Sehr groß«, sagte Bree.
    »Wirklich? Ich meine, sie kann sich die besten Rechtsanwälte und so leisten. Können Sie sie denn da nicht rausboxen?«
    Bree presste die Zähne aufeinander. »Wenn das Gericht befindet, dass sie das Gesetz gebrochen hat, wird es mich verdammt viel Mühe kosten, sie vor dem Gefängnis zu bewahren. Sie mögen ja unzählige Law & Order Folgen gesehen haben, Madison, aber in der realen Welt gibt es für die Reichen und die Armen keine unterschiedlichen Arten von Gerechtigkeit. Und wenn das manchmal so scheint, dann … jedenfalls kommt das nicht besonders oft vor.«
    »Sie sind gern Rechtsanwältin«, stellte Madison scharfsinnig fest.
    »Ja, ich glaub schon. Und ich hasse es, wenn manche Leute annehmen, was ich tue, sei käuflich.«
    Madison nickte nachdenklich. »Okay. Alles klar. Wenn Lin also mit einer Gefängnisstrafe rechnen muss, was können wir dann tun, damit sie mit gemeinnütziger Arbeit oder so davonkommt?«
    »Nach mildernden Umständen suchen«, erwiderte Bree. »Sie wissen doch, was man darunter versteht, oder?«
    »Na, so Sachen eben, die beweisen, dass sie irgendwie darauf programmiert war, das kleine Mädchen zu berauben. Dass sie gar nicht anders konnte.«
    Bree rieb sich mit den Knöcheln über die Unterlippe, um ihr Lächeln zu verbergen. »Genau. Solche Sachen.«
    »Hm.« Madison lehnte sich zurück und trank einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche. »Okay. Ihre Eltern waren immer sehr distanziert und streng. Aber das lag nicht daran, dass sie wirklich streng waren. Es lag eher daran, dass sie sie nicht mochten.«
    Dieses Einfühlungsvermögen ließ Bree interessiert aufhorchen. Madison würde eine sehr gute Sozialarbeiterin werden, falls sie sich tatsächlich für diesen Beruf entschied. Außerdem bestätigte es Brees Ansichten über Carrie-Alice als Mutter. John Lindquist hatte ihr mehr verraten, als er dachte. Doch von seinen Eltern kalt behandelt zu werden, war etwas grundlegend anderes, als von seinen Eltern misshandelt zu werden. Und Bree hatte genug über missratene Kinder gelesen, um zu wissen, dass selbst äußerst hingebungsvolle Eltern bis an die Grenze ihrer Geduld getrieben werden konnten. Royal hatte ihr beigebracht, dass man stets unparteiisch bleiben musste, wenn man Zeugenaussagen auswertete. Bree gabsich also alle Mühe. »Hat es irgendwelche konkreten Gründe für diese Abneigung gegeben?«
    »Keine Ahnung. Lindsey kann einem wirklich auf die Nerven gehen, gar keine Frage. Aber ihre Eltern waren schon ziemlich alt, als sie sie bekamen. Meine Mom ist fünfunddreißig, wissen Sie. Sie hat mich mit achtzehn bekommen. Lins Mom war vierzig, als sie geboren wurde, und ihr Dad sogar noch älter.«
    Bree, die auf die dreißig zuging, kam sich plötzlich uralt vor.
    »Vielleicht sollten Sie mal mit dem Bruder und der Schwester reden. Um zu hören, wie die die Sache sehen.«
    »Hab ich auch vor.« Bree legte ihren Kugelschreiber hin und holte tief Luft. »Madison … kannten Sie Lindseys Vater gut?«
    »Mr. Chandler? Sie haben gerade diesen Wir-kommen-jetzt-zu-einem-gravierenden-Problem- Ausdruck im Gesicht, wissen Sie? Sie glauben, er hatte Sex mit ihr? Völlig ausgeschlossen.«
    Jetzt kam sich Bree nicht nur uralt, sondern so alt wie Methusalem vor.

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