Anwaltshure 4
gelehnt hatte. »Hätte ich etwa dich heiraten sollen?« In seiner Stimme schwangen Verständnislosigkeit und Abscheu. Wie ein Fürst, der mit seiner Mätresse debattiert.
»Mich?«, rief ich spitz aus. Ich übertrieb zugegebenermaßen die Betonung … »Wie könnte der Sohn des großen George McLeod eine kleine Nutte heiraten? Du bist wohl vollkommen irre. George hätte uns beide verfrühstückt.«
»Genau. Außerdem bist du sein Eigentum.«
Ich wusste, was er damit bezweckte und sprang dennoch sofort drauf an. Ich drängte mich dicht an ihn heran, reckte mich ein wenig hoch und sah ihm direkt in die Augen. »Ich bin niemandes Eigentum. Merk dir das gut! Und unterschätz mich nicht!«
Glühende Sehnsucht erfasste mich. Alles in mir drängte danach, jetzt in seinen Armen zu liegen. Mich zärtlich von ihm küssen zu lassen …
»Ich unterschätze dich nie, Emma.«
Der Satz riss einen Graben in unser Gespräch. Ein tiefer Ernst umgab ihn und ließ jene Bilder wieder in mir aufsteigen:
Jay – erschossen in der Eingangstür seines Hauses …
Derek – auf wilder Flucht mit mir, selbst schwer verletzt …
Und immer wieder Jay – mein junger Löwe …
Es tat noch immer so weh, wie am Anfang. Wie viel Zeit auch vorüberging, der Schmerz ließ nicht nach.
Und noch etwas anderes löste der Satz aus: eine tiefe Verbundenheit zwischen Derek und mir. Denn wir teilten den Schmerz um Jay. Er war etwas, das uns verband, und das keine Laura jemals zerstören würde.
Der Kaffee dampfte in den Tassen und egal wie heiß er sein mochte, Derek begann zu trinken. Als er ihn geleert und die Tasse in die Spüle gestellt hatte, hob ich zum Schlag an: »So. Du hast mich niedergemacht, du hast mich gefickt und du hast Kaffee getrunken. Jetzt solltest du zu deiner Frau zurückgehen.«
Ein eisiger Blick traf mich. Ohne ihn von mir abzuwenden, nahm Derek sich eine neue Zigarette und zündete sie an. »Und was, wenn ich hierbleiben will?«
Sollte das ein Köder sein oder eine Fangfrage?
»Blödsinn«, erwiderte ich knapp.
»Willst du meine Geliebte werden?«
Der Kaffee war so heiß, dass ich mir in diesem Moment die Zunge verbrannte und gegen das schmerzhafte Brennen in meinen Augen ankämpfen musste. Ich wiederholte innerlich die Frage wieder und wieder. Es drängte mich, ihm augenblicklich eine gemeine Retour zu verpassen, doch meine Empörung war so heftig, dass ich schwieg.
»Ich könnte dich besuchen. Dich ficken. Wir könnten auch Sachen zusammen unternehmen. Du würdest keine Kunden mehr empfangen und ich nur dich und Laura vögeln.«
Es geschah, ohne dass ich darüber nachgedacht hatte. Ich holte aus und schüttete ihm meinen Kaffee gegen die Brust. Sofort verteilte die braune Flüssigkeit sich auf seiner Haut. Derek zuckte zusammen, sah an sich herab und nahm dann ein Geschirrtuch, um sich abzuwischen.
»Geh!«, sagte ich. »Und zwar sofort! Und komm nie mehr wieder!« Das Zittern kam ganz plötzlich. Meine Hand mit der leeren Tasse bebte und ich musste sie abstellen, um sie nicht fallen zu lassen.
Derek drehte sich um, und nur wenige Momente später hörte ich die Tür ins Schloss fallen.
Ich sackte zu Boden. Es war, als habe mir jemand seine Faust in den Magen gerammt. Tränen schossen aus meinen Augen und liefen endlos über mein Gesicht.
So konnte es nicht weitergehen!
8. Hungrige Qual
Ich brauchte jemanden, mit dem ich reden konnte. Jemand, der mir einen Rat geben konnte, ohne selbst »Partei« zu sein.
So rief ich ein Taxi und ließ mich nach Highgate fahren.
Unangemeldet stand ich vor der massiven Tür und betätigte den altmodischen Klingelzug. Es dauerte lange. So lange, dass ich schon dachte, es wäre niemand zu Hause.
»Bitte?« Sie gab sich keinerlei Mühe, ihre Abneigung gegen mich zu verbergen, die sie offensichtlich seit meinem ersten Auftauchen bei Alexander verspürt hatte. Die Augen der Dienerin, die ein bodenlanges Latexkleid mit Schleppe trug, verengten sich, als sei sie kurzsichtig und müsse krampfhaft herausfinden, wer da so unpassend störte.
»Ist er da?«
Sie bewegte sich nicht. An ihrer Miene erkannte ich, dass sie ganz offensichtlich nach einer Lüge suchte, um mich aus dem Feld zu schlagen. »Der Meister ist beschäftigt.«
Ich reckte mich etwas und drängte mich an ihr vorbei. »Ich werde warten …«
So hatte ich das in zahllosen Krimis gesehen und freute mich, dass ich diesen Kniff mal anwenden konnte. Mitten in der imposanten Eingangshalle blieb ich stehen. »Würden Sie
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