Anwaltshure 4
sagte ich wenig zartfühlend, aber er quittierte den Satz, indem er sich über mich beugte und mir einen langen, beinahe gierigen Kuss gab. Dann ging er hinaus. Ich sah ihm nach, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden war.
20. Unerwarteter Besuch
Der Strauß aus bunten Tulpen stand mitten auf meinem Wohnzimmertisch. Der lange, schneereiche Winter hatte mich hungrig nach Farben und Natur gemacht. Wieder und wieder studierte ich die Kataloge und stöberte nach allem Möglichen, das ich im Frühling würde pflanzen können.
In gemütlichen cremefarbenen Leggings und einem weiten Herrenpullover, dazu Legwarmers und Kuschelsocken, saß ich im Schneidersitz auf meiner Couch und betrachtete abwechselnd den Strauß und den auf meinem Schoß ruhenden Katalog.
Ich fühlte mich zufrieden und aufgeräumt. Meine Pläne gingen gut voran und ich hatte auch schon ein paar Kunden von der Agentur erzählt. Nachdem ich ihnen versichert hatte, dass ich selbst auch zur Verfügung stehen würde, hatten sie sogleich meine Karte akzeptiert, mit dem Versprechen, auf meine Nachricht zu warten, dass es losginge.
Von Jane hatte ich ein paar wirklich gute Tipps bezüglich der Locations bekommen, zu denen man Herren mitnehmen konnte, die nicht ihre eigenen Räume nutzen wollten.
Darren seinerseits erwies sich als zuverlässiger Berater und Organisator mit wichtigen Verbindungen zu den maßgeblichen Behörden. Und da alles so gut voranging, dachte ich daran, bereits Anfang März loszulegen.
In diese zufriedenen Gedanken, zwischen Escort-Service und Gartenlilien, klingelte es an meiner Tür. Ich erwartete niemanden und war verblüfft, denn die einzigen Menschen, die mich – abgesehen von ein paar wenigen Stammkunden –ohne jede Vorankündigung besuchten, waren Derek und George.
Von Letzterem wusste ich, dass er sich auf einer Geschäftsreise befand. Und bei der Aussicht, gleich Derek gegenüberzustehen, wurde mir mehr als mulmig, denn die Dinge zwischen uns waren keineswegs geklärt. Etwas, tief in mir, weigerte sich standhaft, ihn loszulassen. Führte dazu, dass er sich in all meine Gedanken stahl und keinen Platz für einen anderen Mann ließ. So gut es ging, setzte ich mich gegen diese Erkenntnis zur Wehr, überlegte mir bei jedem, den ich kennenlernte, ob ich mit ihm eine Beziehung anstreben sollte.
Ich löste meine etwas eingeschlafenen Beine aus dem Schneidersitz und ging zur Tür. Ein kurzer Blick durch die Überwachungskamera genügte, um mich augenblicklich erstarren zu lassen.
Laura!
Das lange blonde Haar fiel in weichen Wellen über ihre in einem hellen Wollmantel steckenden Schultern. Das Make-up dezent und nur die goldenen Creolen auffällig hervorschimmernd.
Es fiel mir sofort auf: Laura hatte sich verwandelt. Von der legeren Freundin Derek McLeods in eine Dame der Society. Ihr Outfit ähnelte jenen, die man in den hochpreisigen Modezeitschriften sah. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es Dereks Geschmack war, was sie trug. Doch mochte dieses Urteil auch von einer gewissen weiblichen Eifersucht herrühren.
Ich hielt die Luft an und überlegte für einen verführerischen Moment, ob ich einfach so tun sollte, als sei ich nicht da. Im gleichen Atemzug kam mir ein solches Verhalten unsagbar kindisch vor. Zumal sie sicherlich nicht den Weg zu mir gewählt hätte, wenn es nicht um etwas Gravierendes ging.
Außerdem schätzte ich sie noch immer. Nicht nur, weil sie ein sympathisch-verbindliches Wesen besaß, sondern weil sie Derek gegenüber große Selbstlosigkeit an den Tag gelegt hatte. Etwas, zu dem ich nie fähig gewesen wäre.
Also öffnete ich die Tür.
»Emma …« Sie zögerte einen Moment und sah mich an, als sei sie sich unsicher, ob ich wirklich die Person sei, die sie hatte aufsuchen wollen.
»Laura …« Ich trat einen Schritt zur Seite und sie ging an mir vorbei. Vor meiner Apartmenttür wartete sie abermals, bis ich vorangegangen war.
»Kann ich dir etwas anbieten?«
Sie nickte, ohne den Tisch mit den diversen Flaschen auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.
»Sherry? Scotch? Oder möchtest du lieber einen Kaffee?«
»Kaffee, wenn es dir keine Mühe macht.«
Als würde es irgendwem irgendeine Mühe machen, einer Klasse-Frau wie Laura einen lumpigen Kaffee zu brühen.
Ich ging in die Küche, füllte den fertigen Kaffee in eine schöne Kanne und trug ihn, zusammen mit den Tassen, Milch und Zucker, auf einem Tablett ins Wohnzimmer. Dort schenkte ich uns beiden ein.
»Was führt dich zu
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