Anwaltshure 4
versucht »Sherry« zu sagen, doch brachte ich es nicht über die Lippen. Zu lebendig waren die Erinnerungen.
»Einen Kaffee, wenn das möglich wäre …«
Er nickte, ging zur Tür und rief, altmodisch seine Gegensprechanlage ignorierend: »Zwei Kaffee bitte, Miss Bloom.«
Dann setzte er sich zu mir, wobei er den Knopf seines Jacketts öffnete und mir so zu verstehen gab, dass es sich um ein legeres, halb privates Gespräch handeln würde. Wie immer: George McLeod gab die Marschrichtung vor!
»Nun? Was gibt es?«
Ich wartete mit meiner Antwort, bis Miss Bloom die Tassen abgestellt hatte und wieder verschwunden war. Zu Hause und auf dem Weg in die Kanzlei hatte ich mir noch jedes Wort zurecht gelegt, aber jetzt fiel mir keins mehr davon ein. Mein Mund war ausgetrocknet und auch der Kaffee nutzte nicht wirklich. Aber irgendwo musste ich anfangen, und so verließ ich mich darauf, dass mir beim Reden die Worte einfallen würden. »George, ich bin hergekommen, weil ich dir etwas mitzuteilen habe.«
Ich wartete auf eine Reaktion, doch er sah mich nur höflich interessiert an und schwieg.
»Also … ich habe ja jetzt eine lange Zeit für dich gearbeitet. Und es war eine großartige Zeit, für die ich dir wirklich dankbar bin …« Ich rührte intensiv in meinem schwarzen Kaffee. »Aber ich will mich selbständig machen. Ich habe einen Escort-Service gegründet …«
Jetzt musste er einfach reagieren. Seine rechte Braue wanderte hoch und er sagte ruhig: »Du willst mir Konkurrenz machen?«
Ich kannte ihn gut genug, um hinter seiner freundlichen Gelassenheit die Ruhe des Wolfs auf der Jagd zu erkennen.
»Keine Konkurrenz, George. Ich werde dir nicht ins Handwerk pfuschen.« Was eine glatte Lüge war. Und wir wussten es beide.
Er griff nach den Zigaretten, die vor ihm auf dem Tisch lagen, bot mir eine an und begann zu rauchen. »Gut. Es war ja klar, dass unsere Zusammenarbeit nicht ewig dauern würde. Du wirst nicht jünger …«
Diese Spitze, fand ich, hätte er sich verkneifen können.
»Ich kann dich durchaus verstehen. Und ich wünsche dir wirklich alles Gute für dein Unternehmen. Wobei ich äußerst zuversichtlich bin, dass der Service wunderbar laufen wird.«
Es ist eine Falle!, jaulte es in meinem Kopf. Nie im Leben würde er mich so anstandslos ziehen lassen. Unmöglich. Alle meine Sinne waren geschärft. Meine Gedanken auf jedes seiner Worte, jede winzigste Änderung seiner Mimik oder Gestik konzentriert.
»Vielleicht, wenn es dir nicht unpassend erscheint, könnte ich ja auch das ein oder andere Mal eines deiner Mädchen für einen Klienten engagieren … Ich vertraue da ganz auf deine Fähigkeiten und deinen guten Geschmack.«
Ich schwieg, denn ich hatte beim Besten gelernt: George McLeod! Solange die Gegenseite nicht alle Waffen gezeigt hatte, durfte man niemals aus der Deckung kommen.
»Wie weit bist du mit der Organisation?«
»Praktisch fertig.«
»Du hast auch schon Mädchen?«
»Ja.«
Er beugte sich vor, tippte die Asche in den Aschenbecher und sah mich dabei lächelnd an. »Du bist heute recht einsilbig …«
Der Wolf bleckte die Zähne.
»Ja? Findest du?«
»Du wirst in London tätig sein?«, setzte er die Konversation ruhig fort. Es klang nach einem ganz normalen Gespräch unter Bekannten …
»Nun ja … wo die Kunden halt so herkommen. Im Prinzip aber im ganzen Land.«
Er lehnte sich zurück, machte eine Bewegung, als wollte er sich strecken und nahm dann einen tiefen Lungenzug.
»Die Gründung des Escort-Services hat aber nichts mit Derek zu tun, oder?«
Der Kaffee brannte in meinem Mund und trieb Tränen in meine Augen.
»Nein. Natürlich nicht … Wie kommst du darauf?«
»Och, ich dachte nur. Nach all dem Hin und Her mit euch beiden.«
Wieso klangen seine Worte so, als habe es eine richtige Beziehung zwischen Derek und mir gegeben?
»Nein. Es hat nichts mit ihm zu tun. Ich will auf eigenen Füßen stehen und nicht den Rest meiner Tage als Nutte arbeiten.«
»Du willst also seriös werden? Oder zumindest teil-seriös …«
»Wirst du mich gehen lassen?«
»Bist du meine Sklavin?«, stellte er die Gegenfrage. »Natürlich kannst du gehen. Du bist ein freier Mensch und ich lege dir nichts in den Weg. Im Gegenteil. Damit du siehst, dass ich einverstanden bin mit deinen Plänen, garantiere ich dir für das nächste halbe Jahr, dass all deine Kunden aus meiner Kanzlei kommen werden. Nenn es ein … Eröffnungsgeschenk.«
Ich nannte es … eine Falle!
»George, das ist
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