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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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bemerkte ihr Interesse an seinen Zeichnungen, griff hastig nach dem Block und drückte ihn gegen die Brust, um das Bild zu verbergen. Sie hatte nur einen kurzen Blick darauf werfen können, doch es hatte sie augenblicklich in seinen Bann gezogen.
    Seth atmete jetzt sehr schnell und begann zu schwitzen. Sie sah Schweißtropfen auf seiner Stirn schimmern.
    »Bitte. Lassen Sie mich doch mal sehen. Ich möchte das gern sehen. Haben Sie das gezeichnet?« Sie konnte sich nicht zurückhalten. Konnte ihre Neugier nicht verbergen. Sie streckte die Hand aus. »Bitte, zeigen Sie es mir doch.«
    Er senkte den Block ein wenig. »Tut mir leid. Aber … na ja, diese Bilder sind nicht besonders schön … Ich meine, sie sind noch nicht fertig … Nicht gut. Ich zeige Sie Ihnen gern mal, wenn sie fertig sind.«
    Dann warf er einen Blick nach links und schluckte heftig, als hätte er plötzlich etwas Unerfreuliches entdeckt, vielleicht sogar etwas Erschreckendes. Sie folgte seinem Blick, sah aber nur die Wand und eine Kübelpflanze mit breiten wachsigen Palmenblättern, die schlaff auf den blitzsauberen Teppich herabhingen.
    »Mach schon, Seth. Zeig sie der hübschen Dame. Deine Bilder sin’ doch gut, Kumpel. Hab ich dir doch gesacht, oder?«
    Der grässliche Geruch nach feuchter Asche, chemischem Brandbeschleuniger und verkohltem Stoff hatte sich schon eine Sekunde vor der Ankunft des Jungen in der Eingangshalle verbreitet. Diese Vorwarnung konnte den Schock seines Auftauchens nicht abmildern. Seth starrte das Ding mit der Kapuze an und spürte eine noch größere Abneigung als sonst. Weil seine Anwesenheit nur ein Vorbote des nächsten anstehenden Todesfalls war. Er schüttelte den Kopf.
    »Du solls’ doch nich’ so schüchtern sein, Kumpel. Na los, zeig’s der Schnalle. Die wird’s mög’n. Hab dir doch gesagt, dass er dir was Süßes spendier’n wird. Die steckt ihre Nase überall rein. Die mag so was. Los, zeig der Fotze mal was echt Gruseliges.« Der Junge kicherte, und die Kapuze wackelte auf eine Art, die Seth widerlich fand. »Ihre Schlampentante war genauso. Un’ die hat mehr geseh’n, als für sie gut war.«
    Seth schluckte, räusperte sich erneut und schüttelte den Kopf. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass Apryl ihn genau beobachtete.
    »Na los doch, Seth.« Die Stimme des Jungen klang jetzt tiefer und böser, als duldete er keinen Widerspruch. »Los, du Arschloch, tu endlich, was man von dir verlangt!«
    Apryl setzte ein freundliches Lächeln auf und blickte ihm direkt in die Augen. »Seth. Was ich da gesehen habe, das war … richtig gut. Darf ich noch mal gucken?«
    Er sah jetzt weg von der Pflanze, mit der er auf eine merkwürdige Art zu kommunizieren schien, und schaute auf seine Zeichnung. Er kniff die Augen zusammen, zögerte und gab Apryl dann den Block. Kaum hatte sie die Bilder entgegengenommen, steckte er die Hände in die Hosentaschen und sah auf seine Schuhe wie ein schüchternes Kind.
    Apryl richtete sich auf und starrte das Durcheinander von Schatten, Linien, Flecken und Kratzern an, die zusammen das Bild – oder eher das Zerrbild – eines gebückten, gesichtslosen, gepeinigten Mannes ergaben, vielleicht war es auch eher eine Ansammlung von dünnen Knochen. Ein Wesen, das vage wie eine Mischung aus Tier und Mensch aussah und in einem durchsichtigen Würfel oder Rechteck gefangen war. Hastig blätterte sie um.
    Seth sagte etwas, das wie ein Protest klang, aber sie beachtete ihn nicht, sondern blickte gebannt auf das Abbild einer vogelähnlichen Erscheinung, die sich in der Hand von etwas unglaublich Dünnem befand. Sie blätterte weiter zur nächsten Seite und merkte nicht, wie heftig ihr Herz jetzt schlug, wie schnell ihr Brustkorb sich hob und senkte, als hätte sie einen Schock bekommen angesichts der Andeutungen grauenhafter Misshandlungen und Verstümmelungen und des Ausdrucks unendlicher Verzweiflung in den Augen und den aufgerissenen Mündern dieser Gestalten auf den Bildern des Nachtportiers. Sie merkte, wie sie ihr Gehirn eroberten und ihre Gedanken zu beherrschen begannen und sie sich kaum noch dagegen wehren konnte. Als sie bei der letzten Zeichnung angelangt war, zwang sie sich aufzusehen, um die Kontrolle über ihr Bewusstsein zurückzugewinnen. Die Ähnlichkeit zwischen den Zeichnungen der beiden Künstler war unübersehbar. Das hier könnten tatsächlich Nachahmungen oder Fälschungen von Bildern Felix Hessens sein.
    »Ich verstehe nicht, wie Sie behaupten können, dass Sie Felix

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