Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
war er ja so beeinflussbar, dass er ihr alles erzählte, was er über die Vorgänge im Barrington House wusste.
»Ich würde gern noch mehr davon sehen. Von Ihren Bildern. Zeichnungen wie diese hier. Wirklich. Und die Bilder, die Sie inspiriert haben. Oder das, was Sie gesehen haben. Hier im Haus. Ich werde es keinem Menschen sagen. Das kann alles unter uns bleiben. Und danach werde ich Ihnen etwas erzählen. Das, was ich über Felix Hessen weiß. Über das … was er hier gelassen hat. Sein Vermächtnis. Hier im Barrington House. Etwas, von dem niemand sonst weiß.«
Seth antwortete nicht. Er sah aus, als könnte er kein Wort hervorbringen. Er schluckte nur die ganze Zeit.
Sie legte den Zeichenblock auf den Tresen. »Wir müssen uns unterhalten, Seth. Nicht hier … « Sie sah sich nervös um. »Morgen. Geht das?«
»Ich weiß nicht.«
Sie streckte den Arm aus und ergriff seine Hand. »Ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen, Seth. Wir können ja zusammen zu Abend essen. Und uns unterhalten. Mir kommt es vor, als hätte das Schicksal uns zusammengeführt. Als ich herkam, hätte ich so etwas nie erwartet. Aber es gibt ein Verbindung zwischen uns.«
Er befeuchtete seine Lippen, wollte etwas sagen. Aber seine Stimme versagte.
»Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer.« Sie nahm den Block vom Tresen und schrieb ihre Handynummer auf das Deckblatt.
32
Seth saß allein an einem Fensterplatz in der Theaterbar, die am frühen Nachmittag recht leer war. Die Mittagsgäste waren bereits verschwunden, und die Angestellten, die nach Feierabend auf einen Drink kamen, ließen noch auf sich warten. Seth rutschte nervös auf seinem Stuhl herum und sah nach draußen auf die Upper Street, wo sie jeden Moment auftauchen konnte.
Er hatte ausgiebig gebadet, zum ersten Mal seit Wochen wieder, und die saubersten Kleider angezogen, die er finden konnte. Dann hatte er die Bilder an seinen Wänden genauer in Augenschein genommen. Apryl würde bestimmt überrascht sein. Vor allem, wenn er ihr erklärte, dass dies nur Teil eines größeren Projekts war.
Er hatte auch den Fußboden freigeräumt, damit sie in der Lage war, umherzulaufen und seine Arbeiten aus verschiedenen Winkeln anzuschauen. Drei Wände waren jetzt damit bedeckt. Und weder das kümmerliche Tageslicht noch die nackt unter der Decke hängende Glühbirne konnten die Düsternis vertreiben, die von diesen Bildern ausging und dem Betrachter über den schmutzigen Fußboden oder die Decke entgegenkroch. Alle Ecken und Winkel in seinem Zimmer schienen im Schatten zu verschwinden, man konnte die Umrisse nur ausmachen, wenn man ganz genau hinsah.
Aber aus diesen lichtlosen Konturen traten Gestalten hervor. Aus einer Tiefe, die jeden Betrachter verblüffen musste. Wie hatte er das überhaupt zeichnen können, würde sie fragen. Wie konnte man derartige Entfernungen suggerieren? Und wie konnte man ein so intensives Gefühl von Kälte vermitteln, das jeden erfasste, der diese Bilder ansah? Er wusste es selbst nicht.
Er hatte die kleine Klappleiter aus der Küche benutzt, um noch weiter oben zu malen. Um den Figuren noch mehr von dieser Aura völliger Verlorenheit zu verleihen. Obwohl er sich nicht sicher war, ob ihm das gelungen war. Genau wie dieser optische Effekt, durch den alle Gestalten aussahen, als bewegten sie sich. Tatsächlich schien nichts auf dem Bild still zu stehen. Die endlose kalte Dunkelheit, in denen das grauenhafte Leid der Figuren sich abspielte, war ständig in Bewegung, schien zu brodeln, als würden unbekannte Strömungen sie speisen.
Gelegentlich starrte er sein Werk an und hatte den Eindruck, dass überhaupt keine Wände vorhanden waren. Es wirkte, als würde sich ein weiter Raum öffnen, der an einen ganz anderen Ort führte. Einen Ort, der so ausgedehnt und tief war, dass er nirgendwo ein Ende fand. Und der Anblick dieser Wesen, die er aus den verschiedensten Winkeln gezeichnet hatte und die immer wieder an die Oberfläche dieses Wirbels drängten, als würden sie vom Licht in seinem Zimmer angezogen, ließ ihn beim Eintreten jedes Mal wieder erstarren. Sogar wenn er von der Toilette zurückkam und nur wenige Minuten fort gewesen war, ertappte er sich dabei, wie er erschrocken und gebannt diese Visionen betrachtete, die er selbst geschaffen hatte.
Es war unmöglich, sich an all diese Gestalten zu gewöhnen, die dort offenbar gegen ihren Willen festgehalten wurden; an diese Linien, die ihre Gliedmaßen andeuteten, und die Spannung und die Kräfte,
Weitere Kostenlose Bücher