Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
immer geschwätziger und versuchte verzweifelt, sie zu beeindrucken. Der günstigste Zeitpunkt, ihn über das auszufragen, was er gesehen und getan hatte, rückte näher.
Es musste ziemlich lange her sein, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war. Er starrte sie mit einer Intensität an, die ihr unangenehm war. Es ging jetzt nicht mehr nur darum, ihn so einzuwickeln, dass er ihr Vertrauen schenkte, sie musste auch die Folgen bedenken. Aber in dem kleinen indischen Restaurant, in das er sie führte, änderte sich seine Stimmung schlagartig. Nachdem sie bestellt hatten, kam es ihr vor, als hätte er etwas entdeckt. Draußen vor dem Fenster. Sie drehte sich um und folgte seinem Blick, sah aber nur das übliche Durcheinander verschiedenster Menschen und Kleidungsstile in der Masse, die sich über den Gehweg vorbeibewegte. Der ewige Strom von Passanten in einer Großstadt, die nie zum Stillstand kam.
»Was ist denn da draußen? Jemand, den Sie kennen?«
34
Da war er. Er stand in der Seitenstraße direkt gegenüber dem Restaurant.
Seine Umrisse zeichneten sich vor den blassen Schatten und dem orangefarbenen Licht ab, das aus dem Inneren einer Bar drang. Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt, die ovale Öffnung der Kapuze war ihnen zugewandt. Kurz verschwand die Erscheinung hinter einem vorbeifahrenden Bus der Linie 19 und tauchte dann wieder auf. Seth hörte, wie Apryl »Barrington House« sagte, und es kam ihm vor, als wäre es ein Schlüsselwort, das den Jungen auftauchen ließ, damit er ihre Privatsphäre störte.
Und nun sah sie auch dort hin. In die Dämmerung, die rasch hereinbrach und die Konturen der Welt diffus werden ließ. Alles verschwamm vor seinen Augen, ging ineinander über, Backstein in Beton in Straße in Autos, die Dunkelheit verschluckte die vorbeilaufenden Beine, ließ alle Farben verblassen. Aber sosehr sie sich auch mit ihren hübschen Augen bemühte, er wusste, dass sie den Wachposten nicht sehen konnte. Die Gestalt, die dort wartete und ihn beobachtete, war allein für ihn da.
»Was ist denn da draußen? Jemand, den Sie kennen?«
Seth schüttelte den Kopf und wurde dabei noch blasser als ohnehin schon. »Nein, das habe ich mir wohl nur eingebildet.« Er wandte sich wieder ihr zu, konnte sich aber nicht auf ihre Worte konzentrieren. Immer wieder wanderten seine Augen dorthin, wo die Gestalt stand.
»Erzählen Sie mir was über Felix Hessen«, sagte er plötzlich ernst und bemerkte gar nicht, dass inzwischen zwei Teller mit dampfendem Essen vor ihnen auf dem Tisch standen. »Bitte.«
Er ignorierte das Essen und hörte sehr genau zu, während sie ihre Erkenntnisse über Leben und Werk von Felix Hessen knapp zusammenfasste. Sie erklärte ihm, dass seine Vision unvollendet geblieben und keins der Ölgemälde erhalten sei. Aber sie erzählte ihm nicht alles. Immer wieder überlegte sie, was sie preisgeben durfte. Bestimmte Einzelheiten ließ sie absichtlich aus. Vor allem jene unoffiziellen Details, die sie selbst herausgefunden hatte. Sie sagte ihm nichts von dem, was Mrs. Roth, Tom Shafer und Lillian über die Veränderungen in ihrem Haus oder ihre Träume nach Hessens Einzug erzählt hatten: die Dinge, die sie in den Spiegeln, in den Bildern und im Treppenhaus gesehen hatten, die Geräusche hinter den Türen. Stattdessen beschrieb sie Hessen als missverstandenen Exzentriker, der sich vor der Welt zurückgezogen hatte, weil sie dachte, das würde Seths Selbsteinschätzung vielleicht irgendwie nahekommen.
Er stellte Fragen, sehr direkte Fragen. Er wollte mehr über Hessens okkulte Studie wissen, über sein Verschwinden, über seine Ideen und Theorien, seine Obsession mit dem Tod, die Titel der Zeitschriften und Bücher, in denen sein eigenartiges Leben erwähnt wurde, warum er sich mit Anatomie beschäftigt hatte und was er ihrer Meinung nach erreichen wollte. Und während sie versuchte, seinen unersättlichen Wissensdurst zu stillen, erwähnte sie auch den Vortex.
Seths Gesicht erstarrte vor Schreck oder vor Angst, sie konnte nicht sagen, was genau es war. Seine Augen bekamen einen panischen Ausdruck und seine Stimme versagte, als er sie immer wieder drängte, das Phänomen des Vortex näher zu beschreiben. Und er wollte wissen, warum Hessen das Bedürfnis verspürt hatte, immer wieder in den Vortex zu blicken. Kannte sie noch andere Bücher darüber? Dürfte er die Tagebücher ihrer Großtante lesen? Das wäre sehr wichtig, sagte er, streckte dabei eine Hand aus und umfasste ihr
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