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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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und bemühte sich, möglichst leise zu sprechen, damit die Nachbarn ihn nicht hörten, und versuchte sich zu beruhigen. Wiederholte immer wieder die gleichen einfachen Sätze wie ein Mantra, so als wäre der Akt des Sprechens etwas, das seinem Körper Gewicht verlieh und ihn davor bewahrte, zur Decke zu schweben, wo er in dem ganzen ausgeatmeten Rauch herumzucken müsste, während das Chaos in seinen Innereien ihm zu schaffen machte und er sich am liebsten mit seinen dreckigen Fingernägeln den Leib aufreißen würde.
    Er versuchte sich abzulenken. Irgendetwas musste er unternehmen, um die Elektrizität zu kanalisieren, die sich unter seiner Haut ausgebreitet hatte, bevor sie seinen Leib zerriss und er in Flammen aufging. Er erinnerte sich an ein Foto, auf dem das Bein einer Frau in einem Aschehaufen neben einem Gasfeuer zu sehen war. Als Kind hatte er es in einem Buch mit Kriminalgeschichten gesehen. Falls es jemanden gab, der sich selbst durch die Kraft seiner Gedanken abfackeln konnte, dann war er es, genau in diesem Moment.
    Er kicherte.
    Es war sinnlos, diesem Drang, der schon so lange in ihm festsaß, zu widerstehen. Weil er kürzlich erst wiederbelebt worden war. Und jetzt kochte es in ihm. Ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, wohin es wohl führen könnte und wem es gefallen würde oder was es bedeutete, griff Seth in den Karton mit dem Papier, der Farbe und den Stiften und wirbelte dabei eine immense Staubwolke auf.
    Ausgerüstet mit dicken Kohlestiften und einem großformatigen Skizzenblock, fiel er augenblicklich in einen Anfall von Kreativität. Ab und zu hielt er kurz inne, um seine verkrampften, schmerzenden Hände auszuschütteln. Am Tisch stehend oder im Schneidersitz auf dem Boden sitzend, schob er seine Blätter und Stifte hin und her, um besseres Licht zu bekommen, oder verlagerte das Gewicht seines schlaffen, untrainierten Körpers, um die Schmerzen zu vertreiben, die sein angestrengtes Arbeiten verursachte. Aber er zeichnete immer weiter.
    Mit wilden Gesten, hastig und ohne darüber nachzudenken, warf er Bilder aufs Papier, verwirklichte kontinuierlich eine Idee nach der anderen, als fände ein ungeheurer innerer Druck endlich einen Weg nach draußen. Aus einem kleinen Rinnsaal wurde ein reißender Strom.
    Er riss ein Blatt nach dem anderen von seinem Block und warf die angefangenen Skizzen auf den Teppichboden, um sofort mit neuen Zeichnungen zu beginnen. Er versuchte, seinen Eindrücken von den Gesichtern und den schrecklichen Dingen oder den eigenartigen Geschichten, denen er in seinen Träumen begegnet war, Konturen zu verschaffen. Als seine Hand sich zu einer schmerzenden Kralle verkrampfte, biss er die Zähne zusammen und probierte, die zahllosen Visionen in seinem Kopf wie auf einem Foto festzuhalten, aus Angst, sie könnten verschwinden, ehe er sie mit dem Kohlestift festgehalten hatte, und sei es auch nur teilweise.
    Alles erschien ihm unmittelbar und auf schockierende Weise lebendig, der ganze überbordende Schwall von Bildern und Klängen und Gerüchen, die allesamt durch seine Gedanken wirbelten. Er war sich sicher, dass er noch nie eine derart eindringliche Vision gehabt hatte, nichts war ihm je so klar und deutlich erschienen. Es war etwas Besonderes. Zum ersten Mal war er sich sicher, etwas ganz Eigenes zu schaffen.
    Immer wenn er innehielt, um seine Haltung zu verändern, nahm er kurz die weggeworfenen Entwürfe wahr, die sich rechts und links neben ihm auf dem schmutzigen braunen Teppich angesammelt hatten. Sofort war er wie erstarrt von diesen absurd wirkenden, unmenschlichen Dingen, die er gezeichnet hatte. Erst als sein kleiner Reisewecker acht Uhr anzeigte, hörte er auf. Noch immer fühlte er sich geschwächt von seiner Krankheit und wie betäubt vom Schlafmangel. Er ließ seinen Stift fallen und warf sich aufs Bett.
    Die Zentralheizung ging mit einem gurgelnden Geräusch an. Im oberen Stockwerk begann ein Radio zu spielen. Aber wenige Sekunden nachdem er die Nachttischlampe ausgeschaltet hatte, war Seth komplett angezogen in tiefen Schlaf gefallen.
    »Wir sollten nicht hier drin sein.«
    »Ich wollt’ dir nur’n paar Sachen zeigen.«
    Seth flüsterte angespannt und hastig. Um ihn herum war feuchte Luft. »Aber dieses Zimmer gehört jemandem. Das ist privat.« Er stand neben dem Jungen mit der Kapuze in einer vollgepackten schäbigen Dachkammer an der einzigen Stelle, die noch frei war.
    »Wir können auch woanders hin.«
    Die Decke fiel schräg ab. Es war dunkel,

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