Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
aber eine Weile weder sprechen noch sich bewegen.
»Die Bull’n ham ihn geholt.«
Seth erinnerte sich an Archies Erzählung. Eins seiner Augenlider zuckte.
»Junge Mädchen und alte Knacker, das geht nich’ gut zusamm’n. Die häng’n hier fest. Sogar wenn sie älter geworden wär, was sie ja nich’ is’, wär sie eines Tages hierher zurückgekomm’n.«
»Das reicht«, sagte Seth mit brüchiger Stimme. »Bring sie weg. Du bist doch aus dem Rohr rausgekommen und hast mich aus der Kammer geholt, also mach, dass sie wegkann.«
»Ich kann sie nich’ alle rauslassen, Seth. Sin’ zu viele, Kumpel. Kann sie nicht einfach um uns rumgeistern lassen. Was kann sie schon für uns mach’n? Die kapiert doch gar nix. Wir lassen sie besser hier. Sie weiß bloß was von diesen Nachmittagen und wie sie hier auf ihren Stiefvater gewartet hat, der von unten aus’m Pub hochkam.«
»Wie lange ist sie denn schon hier?«
»Keine Ahnung«, sagte der Junge desinteressiert. »Schon lange. Niemand trägt noch so Sandalen. Wenn sie ’n paar Stunden gewartet hat, bis er reinkommt, dann werd’n es für immer ’n paar Stunden sein. Lange Zeit. Bis es dunkel wird.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Hab ich doch gesagt. Unten im Pub.«
»Kann sie uns sehen?«
»Manchmal. Aber das is’ nich’ gut. Guck.«
Der Junge ging zum Bett und setzte sich darauf. Dann wippte er auf und ab, als wollte er die Federn in der Matratze ausprobieren. »Alles klar?«
»Alles«, sagte sie, ohne die Tür auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Willst du geh’n?«
»Nee. Mein Dad kommt bald. Er hat gesagt, ich soll warten.«
Der Junge sah Seth an. »Sie sacht immer’s Gleiche. Sie hängt hier fest.«
»Aber … wie kann sie denn immer hier sein?«
»Sie isses eben.«
»Aber doch nicht gleichzeitig mit mir.«
Der Junge nickte eifrig. »Immer. Jetzt kannste sie auch seh’n. Und all die Sachen, die irgendwo festhäng’n. Mit der Zeit werden’s immer mehr.«
Dies war das größte Zimmer in der Pension über dem Pub. Von hier aus konnte man die ganze Straße übersehen. Aber als Seth wie zufällig eintrat, war das ganze Durcheinander aus Pizzakartons, Bierdosen und ungewaschenen Kleidern und der ganze alte Krempel seines Vermieters verschwunden: Während seiner kurzen morgendlichen Gänge zur Toilette hatte er oft einen Blick hineinwerfen können, wenn Quin in seinem Morgenmantel herauskam.
Jetzt waren das Durcheinander und der Schmutz beseitigt. Das Bett war frisch gemacht und eine karierte Decke darüber gebreitet. Die Schranktüren waren ordentlich geschlossen und die Möbel poliert und rechtwinklig zueinander gestellt worden. Weder herumliegende Kleider noch Schuhe waren zu sehen, nur ein schwarzer Mantel hing an einem Haken hinter der Tür. Die wenigen persönlichen Dinge lagen auf einem weißen Blatt Papier neben dem Nachtschränkchen: eine Uhr, ein Ehering, ein silberner Füller, ordentlich gestapelte Münzen. Man hätte das Zimmer als spartanisch eingerichtet, aber wohlgeordnet bezeichnen können.
All diese Einzelheiten wären im Hintergrund geblieben, am Rand seines Blickfelds, wenn Seth nicht so angestrengt versucht hätte, die dünne Gestalt des alten Mannes nicht anzuschauen, die unter der Zimmerleuchte hing.
Sie bewegte sich noch immer leicht hin und her, von dem Schwung des Sprungs vom Stuhl. Der Mann war mit seinem ganzen Körpergewicht nach unten gesackt, seine Gliedmaßen in dem dunklen Anzug waren erschlafft und seine manikürten Hände hatten sich entspannt. Aus seinem linken Hosenbein tropfte eine Flüssigkeit auf das auf Hochglanz polierte Leder seiner Schuhe, rann über die Spitze und fiel die wenigen verbliebenen Zentimeter hinunter auf den Teppich.
Seth sah nicht in sein Gesicht, aber er wusste, dass die Augen des Mannes weit geöffnet waren und hell glänzten.
13
Die Angebote waren sich ziemlich ähnlich, sie wichen nur um knapp zweihundert Pfund voneinander ab. Aber der Antiquitätenhändler mit den dichten kupferfarbenen Augenbrauen könnte die Möbel erst in zwei Wochen abholen. Und das Auktionshaus, das am meisten Geld geboten hatte, wollte auch das Porträt von ihrer Großtante und ihrem Onkel haben, damit die vier Bilder aus dem Keller komplett waren, die von einem bedeutenden Künstler, der sogar einmal in der Royal Academy ausgestellt wurde, gemalt worden waren.
Keiner der Händler wollte das Bett haben. Also lief es wohl darauf hinaus, dass sie den schweren Rahmen auseinanderbauen und in den
Weitere Kostenlose Bücher