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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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schenken. Die Frau war beladen mit zahllosen Einkaufstüten und quälte sich den Gehsteig entlang. »Entschuldigen Sie, bitte.«
    »Ja?«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns, gleichzeitig aber zurückhaltend und vorsichtig.
    »Der Junge hier hat sich verlaufen.«
    »Bitte?«
    »Der Junge hier. Er hat sich verlaufen. Ich möchte ihm gern helfen.«
    »Sie haben sich verlaufen?«, fragte sie. »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Nein, nicht ich. Ich wohne ja hier. Aber der Junge. Der da. Wissen Sie vielleicht … «
    Sie sah zu der Stelle, auf die er deutete, riss die Augen auf, starrte Seth entgeistert an, einen Augenblick verwundert, dann misstrauisch. Nach einem Moment des Schweigens sagte sie: »Ich hab nichts mehr. Ich muss nach Hause. Ich hab nichts.« Damit lief sie davon.
    Seth blickte den Jungen an und schluckte. »Nein«, sagte er und rannte zurück zum Hauseingang. Er stellte seine Einkaufstüte ab und schob mit zitternder Hand den Schlüssel ins Schloss. Dann riss er die Tüte mit den Dosen und dem Reiniger hoch, stolperte ins Treppenhaus und warf die Tür hinter sich zu.

11
    Manchmal glaube ich, ich bin gezeichnet, und dann kratze ich mich, bis meine Haut knallrot ist. Wie kann er mich denn sonst verfolgen? Es kann doch nicht sein, dass er meine Gedanken liest und meine Pläne im Voraus kennt. Verlässt er etwa das Haus, wenn ich es tue, nachdem er vor meiner Tür gehockt hat wie ein Hund, der dort geduldig auf mich lauert? Oder hat er sich hier drinnen eingenistet, seit wir ihn das letzte Mal gesehen haben? Jetzt klinge ich schon genauso wie du, mein Liebling.
    Apryl saß mit dem zweiten Tagebuch im Bett und las weitere Beschreibungen von zahllosen abgebrochenen Reisen und anderen paranoiden Fantasien. Noch mehr verrückte Geschichten darüber, wie Lillian und ihre Freundinnen in diesem Haus terrorisiert wurden. Heimgesucht gewissermaßen, von jemandem, dessen Namen sie noch nicht kannte.
    Als sie um ein Uhr nachts mit ihrer Mutter telefonierte, erwähnte sie Lillians verrückte Anwandlungen mit keinem Wort, genauso wenig ihre eigenen unangenehmen Gefühle, wenn sie sich in der Wohnung befand. Zur großen Freude ihrer Mutter ließ sie durchblicken, dass sie sehr wahrscheinlich zu dem ursprünglich geplanten Termin nach New York zurückfliegen würde. Dann legte sie auf und kuschelte sich unter die Bettdecke, einen mit Honig gesüßten Becher Kamillentee neben sich, und nahm sich vor, nur den Anfang des dritten Bandes zu lesen, um zeitig zu schlafen. Der Antiquitätenhändler hatte sich für zehn Uhr am nächsten Morgen angekündigt, und der Mann vom Auktionsbüro wollte gegen Mittag vorbeikommen, also reichte es aus, wenn sie den Wecker auf 8.30 Uhr stellte.
    Aber zwei Stunden später war sie so sehr in den dritten Band des Tagebuchs eingetaucht, dass ihr klar wurde, dass an Schlaf überhaupt nicht mehr zu denken war:
    Mein Liebling, die letzten beiden Wochen habe ich versucht, durch die Parks zu entkommen. Aber auch dort hat sich einiges verändert. Für den Fall, dass die Anfälle von Unwohlsein und plötzlicher Verwirrung nicht ausreichen, hat er offenbar neuerdings Wachposten aufgestellt, die uns hier gefangen halten sollen.
    Am Montag ging ich um fünf Uhr los, gleich bei Tagesanbruch, und fragte mich, ob das wohl irgendeinen Vorteil bringen würde. Aber kaum hatte ich den halben Weg auf der Constitution Hill zurückgelegt, wurde mir schon hundeelend. Ich wollte trotzdem weiter und war so aufgebracht, weil ich es gerade mal bis dorthin geschafft hatte und schon wieder von diesem Anfall übermannt wurde, dass ich mich nach Norden wandte, um durch den Green Park Richtung Piccadilly zu gehen. Und dort bemerkte ich eine Frau, die nicht in diesem Park sein sollte. Jedenfalls nicht um diese Uhrzeit oder vielleicht auch zu gar keiner Tageszeit, wenn ich ehrlich bin.
    Als ich sie sah, bekam ich einen derartigen Schock, dass ich die Wohnung bis Sonntagmorgen nicht mehr verlassen konnte. Die Portiers mussten alle meine Einkäufe für mich erledigen.
    Sogar nach allem, was ich schon ertragen musste, trifft es mich noch immer bis ins Mark, wenn ich seine Macht zu spüren bekomme. Ich frage mich noch immer, ob es wahr ist, was ich gesehen habe, und schwanke stündlich zwischen Ablehnung und Zustimmung, aber ich muss mich einfach damit abfinden, dass diese neuen Beobachtungen auf eine Änderung seiner Strategie, wie er uns hier gefangen hält, hindeuten.
    In meinem nervösen Zustand war ich schon kurz davor, die

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