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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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aber durch die Schmutzschlieren auf einem der halbrunden Fenster drang diffuses gelblich graues Licht. Obwohl es schon einen knappen Meter hinter der Fensterbank von der abgestandenen Luft und den Schatten unterhalb der Dachschrägen verschluckt wurde, konnte Seth die Umrisse von herumstehenden Möbeln und aufgestapeltem Gerümpel ausmachen. Schwarze Schimmelpilze breiteten sich über die bunt gemusterte Tapete aus, und der Teppich unter seinen Füßen fühlte sich spröde an wie vertrocknetes Brot. Seine Augen gewöhnten sich an das Zwielicht, und er konnte jetzt mehr erkennen. Viel mehr.
    Unterschiedlich gefüllte Milchflaschen lagen auf ausgebreiteten alten Zeitungsseiten herum, außerdem alte Klamotten, verbogene Messer, Gabeln und Löffel, Küchengeräte, schmutzige Teller und fettige, verstaubte Eisentöpfe, von denen ein unangenehmes, an gekochte Nieren erinnerndes Aroma ausging. Seth schloss die Augen, hielt sich Mund und Nase zu und versuchte vergeblich, sich vor den Ekel erregenden Gerüchen zu schützen.
    »Dachte, das willste vielleicht seh’n.«
    Er starrte auf das Durcheinander von nicht zusammenpassenden Laken und groben Decken auf dem Bett. Auf der Matratze lag kein Betttuch. Dünne rötliche und violette Streifen waren auf den unordentlichen, verdreckten Stofffetzen zu erkennen, auf denen Archie schlief. Aus einem orangefarbenen Durcheinander ragte ein knorriges, zahnloses Gesicht. Der Kopf wirkt ungeheuer groß, viel zu groß für die dürren Knochen des Körpers. Unterhalb des Kopfes konnte Seth die Umrisse der nackten Gliedmaßen erahnen. Aber es war bestimmt eine optische Täuschung, dass es so aussah, als wären sie von ganz vielen, sehr langen, weißen Haaren bedeckt.
    Der Junge mit der Kapuze ging zum Bett hin. »Guck.«
    »Lass das.«
    Zu spät. Der Junge griff nach dem Betttuch und der Decke, deren Gewebe eher an ein Handtuch erinnerte, und hob alles an.
    Gelbe unförmige Fußknochen wurden sichtbar, die nur zu gut zu Archies körperlichem Verfall passten. Viel zu groß wirkende Knie, die aussahen wie gebleichte Walnussschalen, lugten durch den Teppich aus langen, weißen Haaren – vielleicht war es ja auch eine Art Fell, das den Rest der abgezehrten Beine und den ausgemergelten Unterleib bedeckte. Aber am schlimmsten war der viehische Gestank nach feuchtem Stroh, schleimigen Absonderungen und abgestandenem Urin, der unter den Decken hervorkam und in Seths Nase und Mund drang. Er musste husten, trat einen Schritt zurück und stolperte über eine Milchflasche, deren klumpiger Inhalt sich über den Teppich ergoss.
    Archie bewegte sich. Im Schlaf grabschte er mit den klauenartigen Händen in die Luft, als wollte er nach den weggezogenen Decken fassen. Die selbst gemachten Tätowierungen auf seinen dünnen behaarten Unterarmen sahen aus wie blaue Flecken. Im Schlaf drehte er sich auf die andere Seite, offenbar in der Hoffnung, auf diese Weise die verloren gegangene Wärme wiederzufinden.
    Seth sah die rosige Haut, die sich über die Wirbelsäule spannte, und noch mehr weiße Haare und wandte sich ab. Er taumelte leicht und musste noch immer durch die Finger atmen. Was war das nur für ein Haus, in dem er hier lebte, wo Leute ihre Betten vollpissten wie Tiere das Stroh im Stall.
    »Ich möchte gehen. Er wacht vielleicht gleich auf«, bat Seth mit schwacher Stimme.
    »Wir sin’ im Traum von dem alten Drecksack, Kumpel. Wenn er stirbt, kommt er wieder zurück. Und bleibt für lange, lange Zeit.«
    »Mir ist schlecht.«
    »Aber da is’ noch mehr.«
    »Bitte nicht.«
    »Nur’n bisschen noch. Schau hin. Auf seine Hände.«
    Zwischen Archies geschwollenen Knöcheln steckte eine selbst gedrehte Zigarette, von der bläulicher Rauch aufstieg. Um den Arm herum war die Matratze mit schwarzen Brandlöchern und Schmauchspuren übersät.
    »Mein Gott, der bringt uns noch alle damit um«, sagte Seth.
    »Un’ deine Bilder verbrenn’ auch.« Kaum hatte der Junge mit der Kapuze das auf betont deutliche Art gesagt, bemerkte Seth den Geruch nach verbranntem Holz und Fleisch.
    »Wie meinst du denn das?«
    Der Junge hob den Kopf. Seth glaubte, in der dunklen Kapuze ein Grinsen zu erkennen. »Du kanns’ ziemlich gut malen, Seth. Aber den Leuten is’ es egal. Interessiert kein’. Bedeutet denen nix. Die würd’n sie gern anzünden. So wie seine Bilder. Du solltest malen, was du siehst. Das hat mir unser Kumpel gesacht. Du wirst’s allen zeigen.«
    Seth lief rot an. Das war die erste Ermunterung, die er seit

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