Apartment in Manhattan
Gesicht huscht ganz kurz ein schmerzvoller Ausdruck. Als er spricht, verstehe ich warum, aber jetzt blickt er wieder völlig ausdruckslos. „Mein Vater starb, kurz nachdem ich die Schule beendet hatte. Ich konnte meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder nicht einfach so alleine lassen. Also blieb ich zu Hause.“ Er klingt so, als ob ihm das nichts ausmachte, aber ich kann sehen, dass dem nicht so ist. Oder war.
„Das mit deinem Vater tut mir wirklich Leid.“
„Ist schon lange her.“ Er bückt sich und bindet sich den Schuh zu, seinen Fuß hat er auf dem Barhocker aufgestützt. Ich frage mich, ob der Schnürsenkel wirklich offen war, oder ob er sich nur ablenken will.
„Klar“, sage ich, „ aber das ist schließlich nichts, das jemals aufhört wehzutun, oder?“
Er richtet sich auf und schaut in meine Augen. „Nicht wirklich. Manchmal ist es immer noch schwer, zumindest wenn ich es zulasse und mich damit auseinander setze. Was ich aber meistens nicht tue.“
„Tut mir Leid, dass ich dich darauf angesprochen habe.“
„Das konntest du ja nicht wissen. Außerdem ist es schon okay. Es macht mir nichts aus, darüber zu reden.“
Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, deshalb frage ich: „Was ist passiert? Mit deinem Vater meine ich?“
„Er hatte schon eine ganze Weile Magenschmerzen, und als er endlich zum Arzt ging, stellte man fest, dass es Bauchspeicheldrüsenkrebs war. Es war schon zu spät, die Metastasen hatten sich überall ausgebreitet. Sie gaben ihm noch sechs Wochen. Er ist fünf Wochen und fünf Tage später gestorben.“
„Mein Gott.“ Ich sehe Tränen in seinen Augen und spüre, dass mein Hals wie zugeschnürt ist. Am liebsten würde ich wegen des Todes eines Menschen, den ich noch nie gesehen habe, in Tränen ausbrechen.
„Ich weiß. Es war furchtbar“, sagte Buckley. Er holt tief Luft und seufzt. „Aber wie gesagt, das ist lange her. Meine Mutter kommt so langsam auch darüber hinweg. Sie hat vor ein paar Wochen sogar ein Date gehabt.“
„Ihr erstes Date?“
„Ja.“
Ich versuche, mir meine Mutter vorzustellen, die zu einem Date geht, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Andererseits ist Buckleys Mutter möglicherweise keine einsfünfzig große, übergewichtige, stockfromme, eigensinnige italienische Frau, die ihren Damenbart nicht so oft bleicht, wie sie eigentlich sollte.
„Hat dich das gestört?“ frage ich Buckley. „Dass deine Mutter eine Verabredung hatte?“
„Nee. Mir gefällt es nicht, dass sie alleine ist. Meine Schwester hat gerade geheiratet, und mein Bruder ist jetzt bei der Armee, also wäre es schön, wenn Sie einen neuen Partner finden würde. Dann müsste ich mir nicht mehr so viele Sorgen um sie machen.“
Was für ein Mann! Ich frage mich, ob er nicht zu nett für Raphael ist. Natürlich ist Raphael großartig, aber wenn es um Beziehungen geht, ist er doch eher wankelmütig. Er hat mehr als nur ein paar Herzen gebrochen, und ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass dem netten, süßen, edlen Buckley das Herz gebrochen wird.
Was mich an Buckleys Ex erinnert. Ich frage mich, was da passiert ist, aber ich kann ihn nicht einfach nach Einzelheiten fragen, wenn er schon zuvor so gezögert hat, darüber zu sprechen. Der Kellner erscheint. Er sieht schrill und unmännlich aus, und er frisst Buckley mit den Augen geradezu auf, als wir Bier und die Kartoffelchips bestellen. Buckley ist nicht filmstarmäßig attraktiv. Er sieht ganz nett aus, aber irgendetwas an ihm ist noch viel anziehender als sein Aussehen. Vielleicht liegt es an der Wärme, die seine grün gesprenkelten irischen Augen ausstrahlen, oder an seinem schnellen Lächeln oder seiner ehrlichen, freundlichen Art. Was immer es ist, es verfehlt seine Wirkung auf den unübersehbar schwulen Kellner nicht, und er wird nicht der Letzte sein.
Zu dumm, dass er schwul ist.
Ich stelle fest, dass das offenbar mein neues Mantra wird. Wenn Buckley nicht schwul und ich nicht mit Will zusammen wäre …
Aber wenn Buckley nicht schwul und ich nicht mit Will zusammen wäre, würden wir wahrscheinlich auch nicht zusammen hier sitzen und Kartoffel-Käse-Speck-Chips bestellen oder über meine Figur plaudern, wie ich es sonst nur mit Kate oder Raphael kann.
Außerdem bezweifle ich, dass ich Buckleys Typ bin.
Andererseits erstaunt es mich nach drei Jahren noch immer, dass ich Wills Typ bin.
Er
ist schließlich filmstarmäßig attraktiv, während ich keine Schönheit bin. Gott sei
Weitere Kostenlose Bücher