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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Angst, dass ich das wirklich mache. Sie wird kein Wort sagen. Ich schwöre es euch.« Alex wusste, dass dies der Wahrheit entsprach. Und trotzdem hoffte auch er auf eine ihr Versprechen brechende kleine Schwester. Was blieb auch weiter übrig?
    Hoffen.

28 Man muss sich nur umdrehen

    Gernot Seiler begann diesen neuen Tag mit dem Gefühl, dass das Leben heute mehr von ihm erwartete als das Totschlagen eben dieses Tages. Max wusch seine Hose aus und Seiler frühstückte. Die Kinder schleppten Steine, da konnte man den alten Mann auf dem gewundenen Asphaltband sehen, welches Wittlekofen mit dem Wanderparkplatz an der Steina verband. Und gerade, als Kasimirs Lederriemen und Alex’ Beichte neuen Mut verbreiteten, stand nur wenige hundert Meter entfernt Gernot Seiler am Ufer des kleinen Flüsschens. In Sichtweite der Burgruinen watete Hasso im ihm bis zum Bauch reichenden Wasser – eine willkommene Abwechslung zur Hitze dieses Vormittags.
    Seiler selbst hatte bisher zuerst den Wanderparkplatz und dessen beide Mülleimer, anschließend die Ränder des einzigen vom Parkplatz abgehenden Weges inspiziert, aber außer zwei Pfandflaschen und der einen Scheibenwischer imitierenden Handbewegung eines Motorradfahrers nichts gefunden. Die Flaschen versteckte Seiler im Gras, für später; den Motorradfahrer bedachte er mit einem Fluch, welcher einer ganzen Familie das ewige Fegefeuer gesichert hätte.
    Die Stunden verstrichen, ohne dass Seiler einen Hinweis auf den Verbleib der Kinder fand. Wonach genau er suchte? Das hätte er selbst gern gewusst, genauso wie er damals gern gewusst hätte, was er der davongehenden Mona-Lisa nachrufen sollte. Hinterher ist man immer schlauer.
    » Dieses vermaledeite Hinterher «, sagte Seiler. Er folgte seinem Hund um einen ganze zehn Meter den Weg säumenden Holzstapel herum an den Wasserlauf und fand eine Stelle, an der das Flüsschen eine Kurve zeichnete. Das stete Anrennen des Wassers hatte im Laufe der Jahre das Ufer unterspült. Seiler stellte seinen Rucksack ab, zog Schuhe und Strümpfe aus und krempelte die Hosen nach oben. Er setzte sich ins Gras und streckte zuerst nur eine Zehe, schließlich beide Füße ins Wasser. »Puh, ist das kalt.« Nach wenigen Minuten veränderten seine normalerweise blauweiß marmorierten Unterschenkel und Füße ihr Aussehen und besaßen farblich zuletzt mehr Ähnlichkeit mit dem zarten Rot des Apfels, den Seiler zerschnitt und sich scheibchenweise in den Mund steckte, als mit dem Rest dieses alternden Körpers.
    Seiler hatte in der zurückliegenden Nacht noch weniger geschlafen als sonst, die Unterhaltung mit seiner Liebe wollte einfach nicht mehr von ihm lassen. Man darf einen Fehler nicht wiederholen. Schön gesagt für jemanden, der dir dabei nicht einmal in die Augen sieht.
    Lag hinter Mona-Lisa ein ähnliches Leben wie hinter ihm, fragte Seiler sich wieder und wieder. Bereute sie vielleicht auch seit fünfzig Jahren, bereute sie, dass sie ihn einfach (wortlos) hinter sich gelassen hatte? Den Geliebten – vergessen? Das Gras streichelte ihre Füße, Obstbäume säumten den Weg des geschlagenen Mädchens und die Sonne sah ihr nach und erkannte als Einzige, was der jungen Frau da bei jedem Schritt aus dem langen Zopf rieselte und zwischen Steinchen und Staub auf Nimmerwiedersehen verschwand: die Erinnerung an Gernot Seiler. Und als das Mädchen das Elternhaus erreicht hatte, wusste es nicht einmal mehr, warum sie dieses am Morgen verlassen hatte.
    » Blödsinn.« Seiler warf den Apfelrest ins Wasser und sah ihm nach, bis er über eine kleine Stromschnelle sprang und verschwand. »Wie kann sie mit mir sprechen, wenn sie mich vergessen hat? Hasso, was meinst du: hat sie oder hat sie nicht?« Hasso, an die Selbstgespräche seines Herrchens gewöhnt, sah nicht einmal herüber.
    Seiler saß hier, weil er Mona-Lisa liebte, ganz einfach. Er saß hier, weil sie sich im Recht befand: Man durfte einen Fehler kein zweites Mal begehen. Einmal – in Ordnung, nicht schön, aber es konnte eben passieren. Beim zweiten Mal allerdings wusste man, was einen nach diesem Fehler erwartete und ein Mann, der dann nicht dazugelernt hatte, nun, bei dem handelte es sich eben um einen dummen Mann. Die letzte Nacht hatte ihm seine Liebe nicht zurückgebracht, auch hatte sie seinen Fehler nicht korrigiert. Aber in den endlosen Stunden zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang hatte Seiler die Zukunft gesehen, eine Zukunft, die er jetzt noch verändern konnte. Er mochte keines dieser

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