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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Nackenhaaren ziehen und einsperren lassen. Wirklich!«
    » Macht das dein Vater?«, fragte Timi. Max wusste, dass Klein-Timi sich solch einen Vater nicht vorstellen konnte, einen Vater, der schlug, einen Vater, der … Timis schöne, kleine, heile Welt. Immer behütet, immer beschützt und am Himmel dieser kleinen Timi-Welt zogen höchstens einmal ein paar lustige Schönwetterwölkchen vorüber, Wölkchen, deren über die Timi-Welt ziehende Schatten nicht verdunkelten, sondern nur der Schönheit wegen existierten, von Wolkenbergen oder Unwettern keine Spur. Nicht einmal einen einzigen Gedanken hatte Timi an so etwas je verschwendet.
    » Es hat ihm Spaß gemacht, mich einzusperren«, hörte Max Alex hinter seinem Rücken antworten. Max zeichnete wie von Sinnen, fuhr jeden Strich mehrfach nach, als wolle er sich in die Wand graben. »Er hat zwar immer gesagt, dass das nur zu meinem Besten wäre, aber er hat es für sich getan, weil es ihm gefiel, mich zu demütigen. Egal was ich gemacht habe, er hatte etwas daran auszusetzen und dabei habe ich mir nichts mehr gewünscht, als dass er ein einziges Mal sagt, dass ich etwas gut gemacht habe. Letztes Jahr habe ich ihm zum Geburtstag ein kleines Regal gebaut, mit neun Schubladen für seine Schrauben und Nägel. Ich hab echt lange daran gearbeitet und weißt du, was er gesagt hat? Er hat mir zwei Mal erklärt, was alles daran falsch war und wie er es an meiner Stelle gemacht hätte! Mutter hat es ihm schließlich in seine Werkstatt gestellt, aber benutzt hat er es nie. Im Frühjahr habe ich es dann genommen und verbrannt und Vater hat bis heute nichts gemerkt. Nichts. Mir zu sagen, dass ich nichts kann, mich einzusperren – das hat er nie vergessen, mein Regal sofort. Schade nur, dass ich, dass ich …«
    » Was?«
    » In den Stunden, die ich im Keller sitzen musste, habe ich mir immer vorgestellt, dass ich irgendwann einmal besser sein werde als er. In allem. Und stärker und größer.« Ein Schluchzer. »Aber dieser Tag wird jetzt niemals kommen.«
    » Hat deine Mutter dir nicht geholfen?«, fragte Timi.
    » Mutter?« Alex’ Stimme überschlug sich, als habe Timi soeben die verrückteste Frage des ganzen Universums aufgeworfen. »Mutter hat selbst Angst vor meinem Alten. Und sie sagt immer, dass er es doch nicht so meint, dass er mich liebt und nur das Beste für mich will. Er kann es eben nur nicht so zeigen wie andere. Toll, dafür kann ich mir echt was kaufen. Drauf geschissen sag ich dir, Timi. Und drauf geschissen habe ich auch zu meiner Mutter gesagt und von ihr auch gleich noch eine gefangen.«
    Armes Kerlchen , dachte Max, lächelte und malte seinen Kopf, einen ziemlich großen Kopf sogar. Wasserkopf kam ihm in den Sinn, er strich diesen Terminus aber sofort wieder und ersetzte das Wasser durch Spinnen . Max starrte auf das Kunstwerk und unter seinem Blick verwandelte sich der unproportionale Max da auf der Wand in ein Spinnentier. Aus seinem (Wasser)Kopf wuchsen Zangen. Das Wesen löste sich von seinem in die Ecke gequetschten Außenseiterdasein und krabbelte über den lächelnden kleinen Bruder hinweg zu Kasimir, dem Mädchen mit den langen Haaren. Und die Zangen klammerten sich an die Stelle unterhalb dieses glücklichen Gesichtes, packten den dünnen Strich und drückten zu. Max lächelte. Er könnte eingreifen und sein Spinnenabbild verjagen, aber wozu? Die Spinne tat das, was er hätte tun sollen, längst hätte erledigen müssen. Sie drückte und drückte, und drückte so dieses bescheuerte Lächeln aus dem Kasikopf, drückte seine Augen heraus und das Strichmännchen bekam keine Luft mehr. Steckt auch in mir eine Spinne? , fragte sich Max, während sich die Wand hinter Kasis Kopf blau verfärbte. Musste er selbst hier unten sterben, um als Spinnentier wiedergeboren zu werden, wie das bei den Raupen und Schmetterlingen ist? Warum nicht? Er könnte hier und jetzt ein Leben beenden, welches sich nie von dieser wohl nur bei anderen Kindern existierenden schönen Seite gezeigt hatte, wie zum Beispiel bei Timi und diesem doofen Kasimir. Im Sterben würde er sich verpuppen und in einigen Tagen diesen Kokon durchbrechen und sollte das Mädchen zu diesem Zeitpunkt noch am Leben sein, könnte er das mit ihm tun, was seine Fantasie gerade den Spinnenmax mit Kasimir tun ließ! Es gab ein Danach! Ja, das Leben würde weitergehen, besser und ehrlicher und gerechter als jemals zuvor! Er würde sich, sobald die Arbeit an dem Mädchen erledigt wäre, durch die Spalten im

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