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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Steinegger besaß weder Ehre noch Mut und zu wissen schien er auch nichts. Denn statt die Hoffnung auf ein Weiterleben oder wenigstens auf einen ehrenvollen Tod zu nähren und wie ein Mann zu gestehen, schluchzte er und brachte kein klares Wort heraus und wenn doch, dann klang es immer wieder nur nach bitte und bitte und bitte . Ritter Alex in seiner bemerkenswerten Langmut sah sich dieses weibische Verhalten ein paar Sekunden mit an, packte dann Kasis T-Shirt und zog es diesem über das Gesicht. Von einem Mann wollte er keine Tränen sehen, keine verzerrte Fratze, keine Nase, aus der grünes Zeug tropfte. »Diese Grimasse beschmutzt unsere Ehre. Und unsere Augen.« Max’ Beifall übertönte Kasimirs Angstschrei.
    Das über sein Gesicht gezogene T-Shirt verwandelte Kasimirs Angst in Panik. Sie sollten ihn endlich herunternehmen! Das durften sie alles nicht! Das war gemein! Kasi schrie, spannte alle Muskeln an. Sein Nacken schmerzte, die Gelenke brannten. Noch einmal schüttelte er den Kopf, noch einmal zog er sich nach oben, aber seine Kräfte reichten nicht aus. Er fiel zurück, die Ketten zerrten an seinen Gliedmaßen und die Schmerzen in seinen Schultern waren kaum noch zum Aushalten. Kasimir schrie. Max löste sich aus seiner Erstarrung, sprang zu dem Gefangenen hin, holte aus, Licht flackerte über die Decke. Ritter Alex aber packte den Arm seines treuesten Gefährten und hinderte ihn so daran, eine Dummheit zu begehen. Er schob Max’ Hand zur Seite und beendete Kasis Geschrei, indem er diesem einfach einen Teil des eigenen T-Shirts in den Mund stopfte. Dann drehte er sich zu seinem Gefolge um und verkündete, dass er nach der gewonnenen Schlacht hungrig und durstig sei. »Ihr bewacht den Gefangenen. Und wehe, er flieht oder ihm geschieht ein Unglück.« Alex’ Taschenlampenstrahl wanderte zu Max. »Ich steige jetzt hinauf, schaue nach, ob der schwarze Ritter noch irgendwo in der Nähe ist und bringe auf dem Rückweg aus der Burgküche unseren Proviant mit. Speisen und Getränke im Überfluss.« Max applaudierte und auch Timi freute sich.
    » Wir werden den Gefangenen und die Burg mit unserem Blut verteidigen«, antwortete Max, schlug dabei die Hacken zusammen und legte militärisch korrekt die Finger der rechten Hand an die Schläfe. Ritter Alex wollte zu einer Erklärung ansetzen, Max zeigen, wie ein mittelalterlicher Gruß auszusehen hatte (Kniefall!), ließ es aber. Er hatte Hunger. Und Durst. Seine Kehle fühlte sich wie ein Stück Sandpapier an und die geschriene Unterhaltung mit dem Gefangenen hatte diesen Zustand nicht gerade verbessert, im Gegenteil. Also nickte er nur, gab Kasi einen Stoß, sodass der zur Seite pendelte und kurz den Gang nach oben freigab. Alex schlüpfte hinaus, drehte sich auf der ersten Stufe aber noch einmal um.
    » Und keinen Blödsinn machen, verstanden?«
    » Verstanden!« Wieder dieser unpassende Gruß. Alex verschwand.

    Max’ Blicke folgten dem Freund, wanderten anschließend zu Kasimir und an diesem vorbei. Kasis Kurbellampe lag noch immer am anderen Ende des Raumes und beleuchtete mit abnehmendem Interesse Rufus’ leeres Versteck. Als Rufus während des Lärms, den Kasis Kesselsturz verursacht hatte, aus seinem Schlupfwinkel gesprungen war, hatte er all die Lanzen, Standarten und Spieße umgeworfen und so lagen die Sachen jetzt wie ein mittelalterliches Mikado im Raum. Max ging hinüber und bückte sich nach Kasis Lampe. Er betrachtete sie, drehte zweimal an der Kurbel und schüttelte den Kopf.
    » So ’ne bescheuerte Lampe, das kann auch bloß dem da einfallen.« Max schaltete das nutzlose Ding aus und warf es in eine der Nischen in der Wand. Mit der Fußspitze schob er anschließend die Mikadostäbchen hin und her und bückte sich schließlich nach seinem Helm. Er setzte ihn auf, nahm eine Lanze und hielt sich die Lampe unter das Kinn, sodass nur Nase, Augenbrauen und der Rand des Helmes Licht abbekamen, der Rest lag im Schatten.
    » Hör auf, Max«, sagte Timi. »Du machst mir Angst.«
    » Uaaah, ich bin der alte Ritter Max und soeben von den Toten auferstanden.« Er ging zu seinem Bruder, humpelte und stützte sich dabei auf seine Lanze. Die aber fühlte sich der ungewohnten Belastung nicht gewachsen, es knackte, sie brach und Max, der mit seinem nicht unerheblichen Gewicht an dem Stecken hing, verlor das Gleichgewicht, stolperte drei Schritte nach vorn und stieß mit dem behelmten Kopf gegen Kasi. Der schrie auf, ein von Stoff erstickter Schrei. Max fiel zu

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