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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Wasser und Brot, bevor am nächsten Tag ein Transport nach, nach … Max hatte keine Ahnung, wo sie Jungen wie ihn hinbrachten, aber es dürfte ziemlich weit weg sein. »Also: Wo kommen Kinder wie ich hin?«
    » Woher soll ich das denn wissen?« Alex sah auf sein Handy; an der Empfangsanzeige hatte sich nichts verändert. Der letzte Akkustrich blinkte jetzt – sicheres Zeichen für ein Abschalten in den kommenden Minuten. Kurz vor eins. Alex steckte das Gerät weg und legte sich an die Wand. »Wir sollten jetzt etwas schlafen. Morgen früh ist hier sicher einiges los.« Aber Max beschäftigten andere Gedanken.
    » Und wenn wir einfach sagen, dass Rufus das da gemacht hat?«
    » Du meinst deinen Biss?«
    » Ja.« Alex’ Antwort ließ auf sich warten. »Schau mal«, mit einem Schlag wieder hellwach, stützte Max sich auf und leuchtete dem Freund ins Gesicht, »wir sind zu dritt und wir sind die Älteren. Sie müssen uns glauben!« Alex schob die Lampe weg.
    » Und warum sollte Rufus das getan haben?«
    » Weil, weil … weil er eben nicht alle Tassen im Schrank hat!« Max’ Stimme steigerte sich vom anfänglichen Flüstern zu normaler Zimmerlautstärke, eine Lautstärke, die unter der Gewölbedecke eher an Geschrei erinnerte denn an ein Gespräch. Timi wälzte sich auf die andere Seite. Und Kasimir? Alex leuchtete in dessen Ecke. Kasimir lag auf seiner unverletzten Seite, das Gesicht der Wand zugekehrt und die Hände zwischen den Oberschenkeln. Hände und Beine zuckten und Alex legte einen Finger auf die Lippen.
    » Nicht ganz so laut, ja? Du weckst die beiden noch.«
    » Aber …«
    » Leiser!«
    » Aber der Schwarze ist ja wirklich nicht ganz dicht, das weiß jeder im Dorf«, flüsterte Max. »Wir erzählen einfach, dass wir draußen gespielt haben, also ich und du und Timi, und der Schwarze mit dem Mädchen in den Berg ist …«
    »… und als wir Kasis Schreie gehört haben, war es schon zu spät«, ergänzte Alex.
    » Genau!« Wieder zu laut, diesmal merkte Max es aber selbst. »Genau.« Max schöpfte Hoffnung. Vielleicht musste er ja doch nicht ins Gefängnis, stattdessen der Schwarze! Zwei Fliegen mit einer Klappe …
    » Allerdings wird sich jeder wundern, warum Kasimir seinen angeblichen Beißer schützt und dich, seinen Retter, anschuldigt.«
    » Aber der sagt doch gar nichts. Guck ihn dir doch an.«
    » Der sagt jetzt vielleicht nichts. Morgen sieht das bestimmt ganz anders aus, wenn er erst wieder bei Mama und Papa ist, dann wird er schon losplappern, wetten?« Max starrte auf seine Füße. Es musste doch eine Lösung geben! Musste es, musste es, musste es! »Jetzt mach die Lampe aus und leg dich hin. Wir werden uns schon irgendwie rausreden. Wir sagen eben, dass die angefangen haben.« Alex gähnte und drehte Max den Rücken zu. Es dauerte keine zwei Minuten und Alex’ Atem wandelte sich in ein ruhiges Auf und Ab, seine überstandenen Kellerstunden halfen ihm, auch diesen Keller zu ertragen.
    Max aber konnte lange nicht einschlafen. Tausend Bilder und Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, die Bilder des vergangenen Tages und die Bilder des kommenden. Und ganz viele Möglichkeiten, sich und seine Haut zu retten. Man könnte das Mädchen einfach hier unten zurücklassen – die einfachste und effektivste Variante. Oder Kasis Zunge herausreißen. Allerdings könnte der dann immer noch schreiben. Eine dritte Möglichkeit wäre, diese Wunde an seinem Oberarm so zu vergrößern, dass sie nicht länger an Max’ aufgerissenen Mund erinnerte. Kasimir könnte dann zwar immer noch die Wahrheit erzählen, aber wenn die angebliche Bisswunde nicht mehr zu einem Biss passte, tja, dann hatte der Kleine verloren.
    Mit diesen Gedanken im Kopf schlief schließlich auch Max ein, neben sich seine Lampe. Er ließ sie brennen, er mochte die Dunkelheit nicht. Gegen halb vier ging das Licht trotzdem aus.

ZWEITER TAG

15 Gernot Seiler

    Fast im selben Augenblick, in dem Max’ Lampe verlosch und sich ihr Besitzer auf die andere Seite wälzte, erwachte in Wittlekofen der alte Gernot Seiler. Wie jede Nacht tasteten seine Finger nach dem Schalter der Nachttischlampe, anschließend seine Füße nach den Pantoffeln. Und wie jede Nacht schüttelte er im Hinausgehen den Kopf, hustete und brummte vor sich hin.
    » Eine Gemeinheit ist das, Hasso. Eine riesengroße Gemeinheit.«
    Als ob es nicht reichte, dachte Seiler, dass man alle möglichen Begebenheiten und Namen vergaß. Als ob es noch nicht genug war, dass einem von Tag zu Tag

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