Apocalypsis 1 (DEU)
schaute die Israelin auf den Koffer. »Was ist da drin?«
»Nicht, Peter!« flüsterte Maria.
»Na, los, Rahel, geben Sie schon her!«
Zögernd reichte die Mossad-Agentin ihm ihre Walther.
»Aber machen Sie schnell!«
Peter sprang aus dem Wagen und sah sich um. Noch war nirgendwo Polizei zu sehen, aber das würde sich bald ändern. Keiner der Busfahrer oder Operations-Mitarbeiter, die an ihnen vorbeifuhren, schien den Mercedes zwischen den abgestellten Passagiertreppen jedoch zu bemerken. Peter legte den Koffer auf den Boden und zielte auf das Schloss. Der Koffer hüpfte einmal, als das Geschoss das Schloss zertrümmerte. Der Deckel sprang auf. Der Koffer war innen mit Schaumstoff ausgepolstert. Sieben kleine Ovale in der Größe von Tintenpatronen waren aus dem grauen Material herausgeschnitten worden. Sieben Ovale für sieben Bomben aus rotem Quecksilber. Aber sie waren alle leer.
»Verdammte Scheiße!«, stöhnte Peter.
In der Ferne hörte er Polizeisirenen.
»Steigen Sie ein!«, drängte Rahel Zeevi. »Wir müssen hier weg, bevor das deutsch-israelische Verhältnis den Bach runter geht.«
Auf dem militärischen Teil des Flughafens wartete eine viermotorige Lockheed C-130 Hercules der israelischen Luftwaffe. Kaum hatten sich Peter, Maria und Rahel Zeevi auf den harten Sitzen entlang der Bordwand angeschnallt, ließ der Pilot die Triebwerke an. Unendlich träge und quälend langsam, wie Peter schien, quälte sich die bullige Transportmaschine über die Rollwege zur Startbahn. Erst als sie abhoben, atmete Peter auf.
Vielleicht ist es noch nicht zu spät! Mein Gott, wenn es dich gibt, hilf mir, dass es noch nicht zu spät ist.
Den ganzen Flug über kämpfte Peter verzweifelt gegen das Jucken, den Schwindel und die Übelkeit an. Maria ließ sich ein Medipack geben und setzte ihm eine Spritze.
»Was ist das?«
»Cortison. Das wird dir vorläufig helfen. Aber du brauchst dringend einen Arzt!«
Peter lächelte sie an und schüttelte den Kopf. »Dich brauche ich, Maria«, flüsterte er heiser. »Nur dich.«
Drei endlose Stunden später landeten sie in Rom. Ein Wagen der israelischen Botschaft brachte sie erneut an den Kontrollen vorbei aus dem Flughafen und weiter in die Stadt. Als sie das St.-Anna-Tor in der vatikanischen Mauer erreichten, stieg Rahel Zeevi aus und sprach mit einem der Schweizergardisten. Kurz darauf erschien Urs Bühler. Peter griff nach Marias Hand, spannte sich an. Doch der Oberst schenkte Peter nur einen kurzen harten Blick und winkte den Wagen dann kommentarlos durch.
Auf dem Weg zum Gärtnerhäuschen sah Peter überall bewaffnete Schweizergardisten und Beamte der Gendarmerie patrouillieren. Der Bereich um das Gästehaus St. Martha, wo die wahlberechtigten Kardinäle ab morgen wohnen würden, war hermetisch abgeriegelt. Ohne Zwischenfälle und Kontrollen erreichten sie das kleine vertraute Gärtnerhäuschen, das inmitten der ganzen Sicherheitsmaßnahmen wie eine grotesker Fremdkörper einer untergegangenen Idylle erschien.
»Da sind Sie ja!«, rief Don Luigi, der sie an der Tür erwartete und umarmte Maria und Peter herzlich. »Gott sei gedankt, dass ihr lebt!«
»Wir haben leider keine guten Nachrichten«, sagte Peter.
»Darüber sprechen wir in Ruhe. Kommt erst mal rein!«
Ein gutgelaunter roter Kater begrüßte sie schnurrend.
»Vito!«, rief Maria erfreut aus, presste den Kater, der sich pro forma sträubte, an ihre Brust und drückte ihre Nase in sein Fell. »Alter, fetter, liebster Vito!«
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hörte Peter sie wieder lachen. Während Don Luigi sie in das kleine Wohnzimmer mit dem schäbigen 70er Jahre-Mobiliar führte, verschwand Peter in der Toilette. Beim Pinkeln sah er, dass sein Urin sich blutig verfärbte. Aus dem Wohnzimmer hörte er Marias Lachen
Wie du lachst, Maria. Hör bitte niemals auf zu lachen!
Er wurde erwartet. Als Peter Don Luigis Wohnzimmer betrat, umarmte Maria gerade ein älteres Paar. Sophia Eichner trug die Haare offen, was sie vorher nie getan hatte. Franz Laurenz war statt der weißen Soutane des Papstes jetzt mit einem dunklen Anzug und einem hellen Hemd mit offenem Kragenknopf bekleidet. Er wirkte überhaupt nicht mehr wie der ehemals mächtigste Mann der katholischen Kirche, sondern eher wie ein pensionierter Politiker, frisch aus dem ersten Urlaub seit Jahren.
Maria löste sich von Franz Laurenz und räusperte sich. »Peter«, sagte sie. »Darf ich dir meine Eltern vorstellen.«
LXXVII
EIN JAHR
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