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Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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nie absetzte.
    »Was denken Sie, wieso hat sie Ihnen diesen Stein gezeigt, Schwester?«, fragte Don Luigi.
    Maria hob die Schultern. »Das hat sie nicht gesagt. Sie sagte, Maama Empisi habe gewollt, dass ich den Stein sehe.«
    Sie saßen auf der Terrasse der Missionsstation, in der Maria seit zwei Jahren Kindersoldaten betreute, die es geschafft hatten, der LRA zu entkommen. Die Mission lag an der Kidepo-Gulu Road im Zentrum von Gulu, der Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts im Norden Ugandas. Fast hundertfünzigtausend Menschen, die meisten von ihnen Acholi, lebten in dieser staubigen Stadt mit niedrigen Häusern und breiten Straßen. Die meisten Häuser waren von der Straße kaum zu erkennen, lagen verborgen hinter kleinen Nutzgärten. Handygeschäfte, kleine Bazare und Kneipen, Beautysalons, Autowerkstätten und marode Tankstellen zogen sich entlang der drei Hauptstraßen, durch die nur noch wenig Verkehr floss. Die meisten Menschen waren zu Fuß oder auf uralten Fahrrädern unterwegs. Und unterwegs waren sie immer in diesem Land, so schien es Maria. Jetzt gerade, kurz vor Sonnenuntergang, strömten Tausende von Kindern aus den Lagern in die Stadt, um die Nacht in Sicherheit zu verbringen. Aus Angst, nachts von der LRA überfallen und entführt zu werden, nahmen diese Night Commuters oft stundenlange Fußmärsche auf sich. Abends hin, morgens zurück. Maria sah, wie diese Kinder, die nichts mehr besaßen und die sich später gemeinsam in den Schlaf singen würden, an einer Bar am Straßenrand vorbeizogen. Aus der Bar wehte Popmusik herüber. Die parkenden SUV und die Security am Eingang verrieten, dass diese Bar den Mitarbeitern der internationalen Hilfsorganisationen sowie den Soldaten des kleinen UN-Schutztruppenkontingents vorbehalten war. Dort gab es Hamburger, Steaks, Bier und Cola im Überfluss.
    Don Luigi trank wieder von seinem Eistee. »Was hat Nafuna noch gesagt?«
    Maria sah den Pater misstrauisch an. Seit einem halben Jahr reiste der Chef-Exorzist des Vatikans als päpstlicher Sonderbotschafter durch die ganze Welt, vor allem durch Afrika. Im Augenblick begleitete er die Delegation des Papstes bei seiner Afrikareise. Ohne jede Ankündigung war er am Nachmittag mit einem UN-Hubschrauber in Gulu gelandet und hatte ihr Schwarzbrot und eine Dose selbstgebackener Kekse von ihrer Mutter mitgebracht. Maria kannte Don Luigi bislang nur flüchtig, aber sie wusste genug über den geheimnisvollen Jesuitenpater, um sicher zu sein, dass er nicht als Keksbote unterwegs war. Tatsächlich hatte Don Luigi sie gleich darauf nach ungewöhnlichen Begegnungen mit Schamanen ausgefragt.
    »Nach was suchen Sie eigentlich?«
    »Aber das wissen Sie doch, Schwester«, erwiderte der Pater. »Dämonen. Das ist doch mein Job.«
    Maria seufzte. »Nafuna sprach von einem Zauber, den der Stein zusammen mit der Welt geboren hätte. Einen mächtigen Zauber, der sowohl heilen und Leben schenken als auch töten könne. Dieser Zauber halte die Welt im Gleichgewicht. Aber alle tausend Jahre erwache der Stein, und die bösen Geister darunter brechen hervor, um diesen Zauber an sich zu reißen.«
    Don Luigi nickte, als sei ihm das nur allzu bekannt. »Ich würde Nafuna gerne kennenlernen.« Er lächelte jetzt sogar. »Wie es aussieht, sind wir so etwas wie Kollegen.«
    11. September 2010, Kampala, Uganda
    D as Nakivubo-Stadion von Kampala platzte aus allen Nähten. Zehntausende von Menschen drängten und quetschten sich auf den Tribünen und Rängen, und weitere Hunderttausende füllten den Platz und die Straßen vor dem Stadion. Die Menschen sangen und skandierten, schwenkten weiß-gelbe Fahnen entlang der Zufahrtstraße zum Stadion und brachen in tosenden Jubel aus, als die Wagenkolonne mit dem Papamobil ins Stadion einfuhr. Kampala erlebte den Ausnahmezustand, und die Ursache dafür war ein Mann in leuchtend weißer liturgischer Kleidung, prächtig bestickter Dalamtik und Casula , eine weiß-goldene Mitra auf dem Kopf und das Pedum in der Hand, den Stab des Bischofs von Rom. Wie ein Popstar stand Papst Johannes Paul III. vorne auf der Bühne an einem Altar, segnete den Wein und das Brot und sprach zu den jubelnden Zehntausenden im Stadion, wie er schon auf seinen ersten drei Stationen in Afrika gesprochen hatte. Ungeheuerliche, einfache Worte, die im krassen Gegensatz zu seiner prunkvollen Erscheinung standen. Worte, von denen der Papst hoffte, dass sie nun endlich auch in Jerusalem, Mekka und Tokio verstanden werden würden. Eine

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