Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
diese Frau Ihnen weiterhelfen wird?«, riss Kaplan ihn aus diesem träumerischen Zustand. »Ganz davon abgesehen, dass sie im Koma liegt.«
»Wenn ich einen Weg finde, zu ihr durchzudringen – ja. Ich hoffe es. Was wissen wir über sie?«
Kaplan reichte ihm ein einseitiges Dossier mit einem Foto, das eine junge Frau mit kummervollem Blick zeigte.
»Ihr Name ist Rahel Kannai. Vor einigen Tagen erst nach Israel eingereist. Lebt sonst in Australien.«
»Hat sie Familie?«
»Offenbar nicht. Sie hatte einen Freund in Australien, aber der ist kurz nach ihrer Abreise verstorben. Herzversagen.«
Laurenz studierte das Dossier und versuchte, sich Rahel Kannai vorzustellen.
»Jemand könnte Sie erkennen«, warnte Kaplan. »Ein hohes Risiko auf eine vage Hoffnung hin.«
Laurenz ließ das Dossier sinken. »Diese Frau ist meine einzige Hoffnung herauszufinden, wer das Buch Dzyan hat.«
»Selbst wenn ihre Bilder Ausdruck von Visionen waren, und selbst wenn sie aus dem Koma erwacht, ist doch äußerst zweifelhaft, ob sie sich an irgendwas erinnern kann. Geschweige denn, die Bilder reproduzieren.«
»Was wollen Sie damit sagen? Oder fürchten Sie einfach nur den Eklat, falls man mich erkennt?«
Kaplan stieß einen hebräischen Fluch aus. »Sie verschwenden nur Zeit. Kostbare Zeit. Und das sage ich als Ihr Freund.«
»Dann helfen Sie mir.«
Laurenz wandte sich ab und starrte wieder hinaus in die Nacht, die lautlos an ihnen vorbeiglitt. Und dann: Jerusalem. Wie eine Schale aus Gold erschien die Heilige Stadt vor ihnen in der nächtlichen Wüste, wie eine unerreichbare Verheißung ewigen Glücks. Die größte Illusion von allen, dachte Laurenz. In dieser Stadt wurde um jeden Zentimeter Boden erbittert gestritten, Mönche sechs christlicher Konfessionen prügelten sich in der Grabeskirche um die Regelung, wer wann welche Lampen putzen, welche Leitern wo aufstellen und welche Treppenaufgänge benutzen oder nicht benutzen durfte … Vielleicht hatte diese Stadt ihre Ewigkeit bei Gott um den Preis erkauft, niemals Frieden finden zu können. Vielleicht war aber auch diese Ewigkeit nur eine Illusion und Jerusalem bald genau so tot wie jeder andere Ort auf Erden.
»Denken Sie noch manchmal an Scheich al Husseini?«, fragte Kaplan plötzlich. Die Frage nach dem verstorbenen Großmufti von Mekka überraschte Laurenz.
»Jeden Tag.«
»Ich gestehe, dass ich ihn nie mochte. Aber in den wenigen Monaten unserer Zusammenarbeit, die Sie vermittelt hatten, habe ich gelernt, ihn zu respektieren. Dieses grauenhafte Ende in Rom – das hat er nicht verdient. Er war kein schlechter Mann, der Großmufti, oder?«
»Nein, mein Freund, er war kein schlechter Mann.«
»Wenn das alles hier vorbei ist«, seufzte Kaplan. »Ich meine, falls wir es überleben sollten, dann werden wir - Sie, ich und die Muftis - einen ernsthaften Dialog führen, was meinen Sie? Wir machen den ersten Schritt. Und auch den zweiten und dritten, wenn’s nötig ist. Wir lassen die Hosen runter. Scheiß auf unsere Regierungen. Und auf unsere eigene Borniertheit.«
Laurenz sah den Rabbiner verwundert an. Ganz neue Töne. Bei näherer Betrachtung fiel ihm jetzt auch die äußerliche Veränderung auf. Der Rabbiner sah nicht gut aus: blasser als sonst. Er schwitzte und biss sich auf die Lippen, als habe er Schmerzen. Außerdem rieb er sich ständig die linke Hand mit einem Taschentuch.
»Was haben Sie?«
»Ach nichts. Wahrscheinlich nur der Stress.«
»Lassen Sie mal sehen. Na los, zeigen Sie schon.«
Kaplan streckte die Hand aus. »Nur eine allergische Reaktion, kein Grund zur Sorge.«
Laurenz schaltete ein Lämpchen in der Deckenbeleuchtung an und sah, dass die Hand glänzte, überzogen von einem wachsartigen, weißlichen Belag. Eine Art Flechte, die einen schwachen Geruch von Baldrian verströmte. Ein Phänomen, das Don Luigi oft von seinen Exorzismen beschrieben hatte.
»Ein Arzt sollte sich das ansehen.«
Kaplan zog die Hand zurück. »Wenn es schlimmer wird«, scherzte er, »mache ich es wie Hiob und streite mich so lange mit dem Herrn, bis er entnervt aufgibt und mich entschädigt.«
»Das ist, mit Verlaub, kindisch, mein Freund. Beziehungsweise apokalyptisch, wenn Sie schon auf die Bibel anspielen.«
Kaplan sah ihn fragend an. Laurenz zog sein Smartphone aus der Tasche, startete die App mit der Einheitsübersetzung der Bibel und suchte eine bestimmte Stelle.
»Aus der Offenbarung des Johannes, sechzehn-zehn: Da kam Finsternis über das Reich des Tieres
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