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Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)

Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)

Titel: Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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sind Autoritäten in allen Lebenslagen. Es gibt nichts Schriftliches. Sämtliche Grundregeln und Praktiken des Candomblé werden mündlich und über die Musik überliefert, von Generation zu Generation. Um Mãe oder Pai zu werden, muss man von den Orixás ausgewählt werden. Keine hat sich diese Berufung selbst gewählt, und wenn dich der Ruf ereilt, verbringst du dein restliches Leben nur noch im Terreiro. Es gibt noch einige weitere Grade in der Hierarchie, aber besonders wichtig sind die Filhas do Santo , die Heiligentöchter. Denn sie können in Trance zu Medien und Dienerinnen der Orixás werden. Bei den Festen steigen die Orixás von den Trommeln gerufen herab, um die Körper der Heiligentöchter oder auch der Gläubigen in Besitz zu nehmen. Willst du immer noch mitmachen?«
    Laurenz nickte. »Was weißt du über rituelle Pflanzen?«
    »Ah, die heiligen Kräuter!« Sie schien das Thema interessant zu finden. »Die Abós sind der geheimste Teil des Candomblé. Kaum jemand kennt die Rezepturen, denn die Priesterinnen sind zu Stillschweigen verpflichtet. Aus medizinischer Sicht ist die Sache natürlich klar: Diese psychoaktiven Tränke und Bäder lösen die Trance aus. Die Hauptbestandteile sind getrocknete Blüten und Früchte. Dandáwurzel, Orobonuss, Muskat, bestimmte Wolfsmilchgewächse und Nachtschattenarten, Taubenblut, Wein, Honig, alles Mögliche. Falls man dir was anbietet, lass einfach die Finger davon, okay?«
    »Wäre das nicht sehr unhöflich?«
    Sie sah ihn misstrauisch an. »Mach mir bloß keinen Ärger. Ich meine das sehr ernst.«
    Das letzte Stück mussten sie zu Fuß gehen. Eine steile Betontreppe führte durch einen kleinen Tropenwald zum Tempel hinunter, dem Terreiro , der allerdings nur eine Art überdachter Hinterhof war. Die Gläubigen saßen dicht gedrängt auf dem Boden. Wer keinen Platz gefunden hatte, musste am Rand stehen. Überall karibische und indianische Gesichter. Sophia und Franz waren die einzigen Weißen, aber niemand schien daran Anstoß zu nehmen. Vor der Schwelle des Terreiro , die mit Vogelfedern, Rosenblättern und einem undefinierbaren weißen Fett bedeckt war, empfingen sie eine Gruppe weiß gekleideter Mädchen und wiesen ihnen Plätze am Rand zu. Sophia wirkte unbefangen und vergnügt und winkte einigen der Gläubigen, die sie kannte. Sie alle trugen ihre besten Sachen, bunte Kleider, frisch gebügelte Hemden. Laurenz fasste die blaue Umhängetasche fester, versuchte, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen und sich auf die Zeremonie zu konzentrieren, die bereits in vollem Gange war. Laurenz erkannte die Yalorixá sofort. Mãe Tereza war eine beeindruckende alte Frau von ozeanischer Erscheinung, in rosa Pantoffeln, einem billigen weißen Tüllkleid und einem weißen Turban, behängt mit Goldschmuck und Ketten aus Kaurimuscheln. Alles an ihr - ihre Haltung, ihre Haut, jede ihrer Bewegungen – wirkte königlich und magisch. Sie tanzte vor dem großen Opferaltar zum Klang der Trommeln auf der Stelle und sang dazu in einer unverständlichen Sprache.
    »Das ist Ketu , die rituelle Sprache des Candomblé«, erklärte Sophia. Laurenz spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
    Der Opferaltar war überbordend geschmückt mit Kerzen, billigem Plastiktinnef, Heiligenfigürchen, blumengeschmückten Spielzeugpuppen, geschlachteten weißen Tauben und Opferschalen mit vorgekochtem Essen, darunter eine bunte Torte. Dazwischen Unmengen kosmetischer Artikel, Duftflakons, pastellfarbige Seifen und Räucherwerk gegen die Mücken. Die Luft war getränkt von einem atemberaubenden, süßlichen Gestank. Die Mitte des Altars regierte eine in Gold gewandete, große schwarze Madonnenfigur und eine grob geschnitzte afrikanische Gottheit aus Ebenholz. Und die ganze Zeit über, ohne Pause oder irgendeine Veränderung des Rhythmus, gewitterte der Lärm der Congas über den Hof, wälzte sich über die Menge der Gläubigen und presste sich zwischen sie. Laurenz spürte, wie das Dröhnen der Trommeln jede Faser seines Körpers ergriff, ihn ganz und gar durchdrang. Der Rhythmus kam ihm vor wie etwas Lebendiges, ein eigenständiges Wesen, das durch den Hof wütete, den Leib erschütterte und völlige Unterwerfung einforderte. Laurenz bemerkte, dass er eine Gänsehaut hatte. Das Denken fiel ihm schwer in dieser aufgeladenen Atmosphäre, er brauchte alle Kraft, um sich gegen die Macht der Trommeln zu wehren. Die Gläubigen wehrten sich nicht. Die meisten zuckten bereits im Takt, andere

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