Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
die Militärs die Macht im Land erst vollständig abgegeben hatten, würde der Tourismus auch hier so richtig boomen.
Die junge Frau setzte sich zu ihm auf den einzig freien Plastikstuhl und bestellte sich auf Portugiesisch eine Cola. »Furchtbare Hitze wieder«, sagte sie lächelnd, obwohl ihr die Hitze nicht das Geringste auszumachen schien. Überhaupt wirkte sie auf Laurenz so, als ob sie nichts und niemand erschüttern konnte. Nicht einmal die Apokalypse.
»Woran haben Sie erkannt, dass ich Deutscher bin?«, fragte Laurenz.
Sie deutete auf den kleinen Reiseführer neben seinen Papieren. Laurenz lächelte sie an und reichte ihr die Hand über den Tisch. »Entschuldigen Sie - Franz Laurenz.«
Sie ergriff die Hand. Ihr Händedruck war erstaunlich fest. Sie ließ seine Hand auch nicht los.
»Sophia Eichner.«
»Ach, Sie sind Dr. Eichner!«, entfuhr es Laurenz. Die Presseabteilung von ›Ärzte ohne Grenzen‹ hatte ihm nur gesagt, dass Dr. Eichner bereit sei, sich mit ihm zu treffen und ihm gegebenenfalls bei seinen Nachforschungen zu unterstützen. Laurenz hatte einen Mann erwartet. Er bereute seinen Satz sofort, denn ihrer spöttischen Miene nach vermutete er, dass die Ärztin ihn nun für einen zölibatsgestörten Idioten hielt. Oder schlimmer, für einen frauenfeindlichen Dinosaurier, der sich Frauen mit Doktortiteln einfach nicht vorstellen konnte.
»Tut mir leid«, platzte er heraus, ließ ihre Hand aber immer noch nicht los.
»Was tut Ihnen leid?«
»Dass ich ein Vollidiot bin.«
Sie ließ seine Hand los. »Sie haben schöne Hände.«
Sie sagte es ganz sachlich, wie eine anatomische Tatsache, aber Laurenz kam sich vor wie damals vor seiner ersten Verabredung. Dr. Eichner deutete auf seine Papiere. »Was lesen Sie da?«
»Einen Auszug aus dem Nag-Hammadi-Codex. Das ist eine Sammlung …«
»… gnostischer Schriften, die in den Vierzigerjahren in einem arabischen Dorf gefunden wurden. Was interessiert Sie daran? Machen Sie sich als Priester damit nicht irgendwie der Häresie verdächtig?«
Laurenz ignorierte ihren Spott und zeigte ihr den Text, den er zuvor gelesen hatte. »Hier, zum Beispiel, geht es um die Bedrohung der Welt durch einen satanischen Dämon. Der Engel Eleleth fordert den Dämon Jaldabaoth heraus, der zuvor den Menschen die Epinoia des Lichtes geraubt hatte, also vereinfacht gesagt, die Fähigkeit des klaren Denkens. Jaldabaoth ist ein löwenköpfiger Dämon, der vermutlich auf die ägyptische Mythologie zurückgeht. Jaldabaoth wurde ohne Zustimmung des großen Schöpfergeistes von Sophia erschaffen. Als Sophia ihren Fehler bereut, verzeiht ihr der Geist und hilft ihr, den Löwenmann zu besiegen.«
»Soso«, sagte die Ärztin amüsiert. »Ich bin also wieder schuld gewesen.«
Die ganze Zeit sah sie ihn mit diesen grünen Augen unverwandt an. Laurenz hatte alle Mühe, sich zu konzentrieren.
»Nun, wie immer entsteht das Üble aus dem Reinen. Das ist auch eine Form der Wandlung. Eine Art negativer eucharistischer Magie, wenn Sie so wollen.«
»Als Protestantin und Ärztin hab ich’s nicht so mit Magie.«
»Jedenfalls ist der Text interessant, weil er die Kraft des Menschen betont, sich selbst von dem Übel zu befreien.«
Er kam sich plötzlich dämlich vor, ihr Vorträge zu halten, und wollte den Text wieder einstecken.
»Ich will Sie nicht langweilen.«
Sie schnitt ihm das Wort mit einer unwirschen Handbewegung ab. »Das sage ich Ihnen dann schon, wenn’s so weit ist. Was haben Sie sonst noch anzubieten?«
Laurenz nestelte in seinen Papieren und zog eine andere Fotokopie heraus.
»Ich lese Ihnen meine Lieblingsstelle vor. Einen Hymnus an die Pronoia des Alls. Eine gnostische Erlöserfigur, der erste Gedanke, der jungfräuliche Geist.«
Ich nun - die vollkommene Pronoia des Alls - verwandelte mich in meinen Samen und ging zu der Größe der Finsternis, und ich hielt aus, bis ich in die Mitte des Gefängnisses ging. Und die Fundamente des Chaos wurden erschüttert. Und ich, ich verbarg mich vor ihnen wegen ihrer Schlechtigkeit, und sie erkannten mich nicht.
Wiederum kehrte ich zurück zum zweiten Mal. Ich ging in die Mitte der Finsternis hinein und in die Innenseite der Unterwelt. Und die Fundamente des Chaos wurden erschüttert, damit sie auf die fallen, welche im Chaos sind, und sie zerstören.
Und wiederum lief ich hinauf zu meiner Wurzel des Lichtes, damit sie nicht zerstört werde vor der Zeit. Zum dritten Male ging ich - das Licht, das existiert im Licht - in
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