Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
fotokopierten Texte und sein Notizbuch in die Kunstledertasche um, und die schwarze Aktentasche verschwand hinter dem Sitz.
»Zwei Drittel der Leute gehen zum Candomblé«, plauderte Sophia weiter. »Offiziell sind sie alle Katholiken. Hier ist das kein Widerspruch. Findest du das nicht seltsam?«
»Nein. Solche Verschmelzungen von Religionen sind normal. Auch das Christentum war immer reich an Mystikern.«
»Die Junta und die Kirche dulden das Candomblé notgedrungen. Ändern könnten sie sowieso nichts. Die alten afrikanischen Götter sind mächtig. Nur das Gerücht über Blutopfer ist Blödsinn, wenn du mich fragst.«
Laurenz nickte. Wusste er bereits. Der Candomblé war eine afrobrasilianische Religion, in der die Götterwelt westafrikanischer Sklaven und Bantuvölker zu einem Synkretismus mit dem Katholizismus verschmolz. Diese Bantu-Gottheiten, die Orixás, waren personifizierte Naturgewalten, die bei den Candomblé-Ritualen in die Gläubigen einfuhren, die sich dazu mit Hilfe von Kräutertrunken und Trommeln in Trance tanzten. Zu vielen Orixás gab es Entsprechungen aus dem Katholizismus. Obatala, der Schöpfer, wurde zu Christus, Yemayá, die Mutter der Menschheit, zu Maria. Xangô entsprach dem Heiligen Hieronymus, Oshossi dem Heiligen Georg. Der Candomblé wies deutliche Parallelen zum haitianischen Voudou auf, angeblich gab es auch Candomblé-Strömungen, die einen Kult um lebende Tote zelebrierten. Der bedeutendste Unterschied zum Christentum war, dass es keinen Sündenfall und keine Vergebung gab. Oder brauchte.
Außer den Orixás gab es noch unzählige Geisterwesen im Candomblé. Eines davon schien ein löwenköpfiger Dämon namens Apedemak zu sein, auf den Laurenz bei seinen Recherchen wiederholt gestoßen war. Der Löwenmann hatte viele Namen. Jaldabaoth, Apedemak, Sachmeth, Pazuzu, Seth, Satan. Und obwohl sein Glaube, seine ganze Erziehung und sein Verstand ihm die Teilnahme an einem Candomblé verboten, war er entschlossen, diesem Löwenwesen gegenüberzutreten und es herauszufordern. Und dazu brauchte er einen Candomblé.
Die Straßen von Salvador da Bahia wanden sich in Schlangenlinien durch das riesige Stadtgebiet, bergauf und bergab. Auf den Hügeln thronten die besseren Wohngegenden mit Gärten und Pools hinter den Sicherheitszäunen. Darunter, in den Tälern und zwischen den sechsspurigen Avenidas , lagen die Favelas wie Lavazungen aus Müll und Elend. Und sie wuchsen, krochen immer weiter die Hügel hinab und wieder hinauf. Gedrungene Ziegelbauten mit Blechdächern, dazwischen ein- und zweistöckige Betonbauten, zerfressen von Salz und Regen, schwarz vor Schimmel. Und alles miteinander verbunden durch wirre Strom- und Telefonleitungen über den Straßen, die die ganze Stadt wie in einem gigantischen Netz gefangen hielten.
An der Rua do Nepal bog Sophia in die Avenida Gal Costa ab. Der Käfer quälte sich rasselnd über steile, schlecht befestigte und unbeschilderte Straßen. Überall lag Müll in großen Haufen. Aber überall wucherte auch tropisches Grün.
»Wie findest du dich hier zurecht?«, fragte Laurenz.
»Weibliche Magie.«
Er sah sie erstaunt an. »Hast du nicht gerade gesagt, als Ärztin …«
Sie fiel ihm ins Wort. »Ich frage mich durch.« Grinsend hielt sie an, um einen schwarzen Jungen nach dem Terreiro Mãe Tereza , wo der Candomblé zelebriert wurde, zu fragen. Der Junge taxierte den Käfer und die beiden Gringos, deutete dann aber bereitwillig die Richtung an. Sophia bog in eine unbefestigte Seitenstraße ein. Zwischen Palmen und Müll kurvten sie an immer ärmlicheren Häusern und Hütten vorbei, bis eine lange Schlange parkender Autos ihnen den Weg wies. Schon von Eeitem hörten sie den treibenden Klang der Congas, der sich mit der drückenden Luftfeuchtigkeit zu einem klebrigen, betäubenden Dunst vermischte. Laurenz fragte sich, ob er hier nicht wirklich seinen Glauben verriet. Ob es vielleicht danach kein Zurück mehr gäbe. Aber der Auftrag, den der Großmeister vom Orden des Heiligen Schwertes ihm erteilt hatte, war eindeutig: »Finde Seth. Und wenn du kannst – töte ihn.«
»Candomblé-Tempel werden streng hierarchisch geführt«, erklärte Sophia unterwegs. »Entweder nur von einer Frau, der Yalorixá oder auch Mãe de Santo, an der Spitze, oder von einem Mann und einer Frau gemeinsam.«
Obwohl Laurenz das bereits wusste, unterbrach er sie nicht. Jedes Wort aus ihrem Mund vertrieb seine Nervosität. Und die Angst.
»Diese Priesterinnen und Priester
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