Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
Ausschlag?«, fragte Amal, dem der Schock jetzt auch deutlich anzusehen war.
»Frag mich nicht, ich hab nicht die blasseste Ahnung. Lass uns Raum I-07 finden.«
Nachdem sie die Systematik der Dateinamen und ihre Zuordnung zu den Kameras auf den einzelnen Stationen verstanden hatten, fanden sie ihn endlich. Anselm erkannte den Raum sofort wieder, als das Video sich öffnete. Die junge Frau lag regungslos und allein in ihrem Bett.
»Geh auf kurz nach Neun.«
Bei Timecode 21:31 Uhr sahen sie, wie der Papst in einem keimfreien Overall, mit Schutzmaske und Haarnetz in den Raum trat und mit der Patientin sprach. Wie er ihr ein Amulett in die Hände legte, wie sie kurz darauf erwachte und zu ihm sprach. Sie sahen, wie der Papst sich erschrocken umwandte. Ein weiß gekleideter Junge trat in den Raum und reichte dem Papst die Umhängetasche, die Anselmo sofort erkannte. Der Papst erstarrte, zögerte. Dann nahm er die Umhängetasche entgegen. Der blonde Junge trat an das Beatmungsgerät und schaltete es ab. Was danach passierte, war nur noch undeutlich zu erkennen und noch weniger zu verstehen. Der Papst griff nach dem Amulett, und eine Art Dunst oder Rauch erfüllte den Raum. Anselmo sah, wie der Papst sich den Overall vom Leib riss und etwas zu dem blonden Jungen sagte. Der Dunst wurde dichter. Der Papst entledigte sich seines Jacketts und seines Hemds, packte den Jungen und riss ihn an sich. Der Junge wehrte sich, aber der Papst hielt ihn fest, wie in einer brutalen Umarmung. Dann hob der Papst den Kopf zur Überwachungskamera und sagte etwas, sehr deutlich. Im gleichen Augenblick verschwand der Junge im Körper des Papstes. Verschwand darin, wurde von ihm absorbiert. Anselmo hatte keine anderen Begriffe für das, was da vor sich ging. Er sah nur, wie der Körper des Jungen vollständig mit dem des Papstes verschmolz und sich in ihm aufzulösen schien. Kein Blut, keine Wunde, eine vollständige Absorption. Als alles vorbei war, entledigte sich der Papst auch noch seiner restlichen Sachen, nahm die Umhängetasche und verließ den Behandlungsraum.
Anselmo und Amal durchsuchten die anderen Videos, aber sie entdeckten den Papst nur noch auf einer Datei, wie er nackt auf den Flur trat und in Richtung Ausgang ging. Danach blieb er verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.
Anselmo dachte verzweifelt über eine Erklärung für das, was er gesehen hatte, nach. Aber wieder lieferte Ockhams Rasiermesser nur die Ungeheuerlichste von allen. So naheliegend und schlüssig sie auch war – Anselm weigerte sich, sie zu akzeptieren. Dies war der Papst . Der Mann, der ihm das Leben gerettet hatte. Der Mann, der eine Arche baute, um die Menschheit vor der vollständigen Auslöschung zu bewahren. Der Großmeister des Ordens vom heiligen Schwert. Ein Mann Gottes.
Amal wandte sich zu Anselmo um, sein Gesicht jetzt aschgrau.
»Das war der Papst, sagst du?«
Anselmo nickte. Hielt es nicht mehr auf dem Stuhl aus, sprang auf, lief durch das kleine Büro, mit wachsender Panik.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße! So eine gottverdammte Scheiße!«
Amal sah sich das Video erneut an.
»Was sagt er da in die Kamera?«
Anselmo sah hin. Amal ließ den Ausschnitt, in dem der Papst in die Überwachungskamera sprach, immer wieder vor- und zurücklaufen.
»Warte«, sagte Anselmo und zog seinen USB-Stick aus der Tasche. »Ich hab ein Programm dafür.«
Mit der russischen Mustererkennungssoftware ließen sich auch Lippenbewegungen in Sprache übersetzen. Mehr oder weniger. Nachdem Anselmo den Lippenbereich markiert hatte, gab das Programm jedenfalls keinen besonders verständlichen Satz aus.
TAS IS MAN NAP
Amal war ratlos. »Welche Sprache kann das sein?«
»Deutsch«, vermutete Anselmo. »Aber mein Deutsch ist nicht gut genug, um den Satz zu deuten.«
»Gib dir halt ein bisschen Mühe, Bruder!«
»Halt mal kurz die Schnauze und lass mich nachdenken, ja?«
Anselmo rief ein Online-Übersetzungsprogramm auf und versuchte, aus dem Satz schlau zu werden, stellte Konsonanten und Vokale um, die die Software möglicherweise falsch interpretiert hatte. Die ersten beiden Worte waren noch einfach: ›Das ist‹. Sie passten am besten zu den Lippenbewegungen. Das nächste Wort war etwas schwieriger. Den Lippenbewegungen nach konnten mehrere deutsche Worte sinnvoll sein: ›Mann‹, ›mein‹, vielleicht auch ›Bein‹ oder ›Bann‹, Anselmo war sich nicht sicher und kam mit seinem Deutsch auch nicht weiter. Das letzte Wort schien der Schlüssel zu
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