Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
würden, um diesen Schlüssel in ihren Besitz zu bringen. Noch im Heiligen Land entging ich nur knapp einem Mordanschlag. Danach bin ich untergetaucht.«
»Um dreißig Jahre darauf zu warten, dass wir eines Tages kommen würden?«
Kleophas nickte, weigerte sich jedoch, Peter oder Nikolas die Metallplatte auszuhändigen.
»Erst, wenn wir dort sind«, sagte er.
»Und dort heißt wo?«, fragte Nikolas.
Kleophas sah ihn an. »Haben Sie das nicht längst an meinem Ordensnamen erraten?«
»Sagen wir, ich hatte so eine Vermutung«, sagte Nikolas
»Erklärt mir mal einer von euch, was ihr meint?«, schaltete sich Peter ein.
»Emmaus«, sagte Nikolas. »Dem Lukasevangelium nach begegneten dort Kleophas und ein Freund als Erste dem auferstandenen Jesus. Der Ort heißt heute Abu Ghosh.«
Peter betrachtete das Metallstück mit den Symbolen in Kleophas’ Händen.
»Das ist ein Schlüssel?«
»Die eine Hälfte.«
Peter nickte. »Was verschließt er?«
»Die Apokalypse«, erwiderte Bruder Kleophas so ruhig, als spreche er über Putzmittel in einer Abstellkammer. »Den Tod der gesamten Menschheit.«
»Ach so. Na dann.«
»Sie sagten, die eine Hälfte des Schlüssels«, sagte Nikolas. »Und wer hat die andere?«
Kleophas sah ihn irritiert an, wie einen Schüler, der den simpelsten Zusammenhang nicht verstanden hat.
»Da bin ich ja froh, dass du auch mal was nicht weißt«, sagte Peter. »Was Bruder Kleophas uns so dezent und einfühlsam sagen will, ist: Wir sind die andere Hälfte.«
XXVII
22. Juli 2011, Jerusalem
I n den letzten Nächten hatte sie schon nicht mehr geschlafen. Wenn überhaupt, dann nur für kurze, unruhige Stunden am Nachmittag. Sie verließ das Hotel nur noch, um sich mit Cola, Obst, Falafel, Malkartons und Farben zu versorgen, kehrte aber immer sofort wieder zurück.
Um weiterzumalen. Rastlos, schlaflos, zu Tode erschrocken.
Die Bilder entstanden in immer schnellerer Abfolge. Als ob die unselige Geschichte, die sich in ihnen entwickelte, zunehmend an Fahrt gewinne, um unweigerlich in die Apokalypse zu münden. Rahel hatte die ganze letzte Nacht durchgemalt. Jetzt war sie fertig, das letzte Bild war gemalt. Rahel wusste, dass es das letzte Bild dieser Serie war, womöglich das letzte, das sie je malen würde. Dieses letzte Bild zeigte eine tote, vollkommen erloschene Welt, verlassen von aller Gnade und auch dem Bösen, das sie infiziert und vernichtet hatte. Eine Welt des Lichts, aber ohne Hoffnung, und in der Mitte dieser Welt glühte wie eingebrannt ein uraltes Symbol. Ein doppelter Kreis.
Rahel wusste selbst nicht mehr, warum sie dieses Symbol der erloschenen Welt aufgeprägt hatte wie ein Brandzeichen. Aber je länger sie das Bild betrachtete, desto klarer wurde ihr, dass dieses Bild mehr war als eine Vision ihrer überspannten Fantasie. Dies war die Zukunft.
Im freundlichen Licht des römischen Vormittages hielt Rahel erschöpft inne, trank lauwarme Cola aus der Flasche und betrachtete die Bilder, die sie überall in dem kleinen Zimmer aufgestellt hatte, schön der Reihe ihres Entstehens nach. Ganz gegen ihren gewohnten Stil glichen die Bilder nun großformatigen Comics. Manche in leuchtenden Farben, andere wieder einfarbig und düster. Die ersten zeigten hügelige Wüstenlandschaften der Jerusalemer Umgebung, ein kleines geducktes Dorf, menschliche Schatten, die sich verloren vor einer festungsartigen kleinen Kirche bewegten. Rahel hatte das Dorf und die Kirche mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln gemalt, einmal sogar aus der Vogelperspektive. Wie einen vertrauten Ort ihrer Kindheit, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob dieses Dorf überhaupt existierte. Die nächsten Bilder zeigten Jerusalem, die Altstadt, den Tempelberg. Allmählich befreiten sich die Schatten aus dem Ungefähren, bekamen Gesichter und Gestalt. Rahel erkannte sich selbst, verfolgt von einem Priester mit einem grauen Pferdeschwanz. Der Priester tauchte in den folgenden Bildern noch öfter auf, immer in Begleitung eines weiß gekleideten Jungen ohne Augen. Einmal tötete er Shimon Kohn und seine Familie auf bestialische Weise, dann eine dunkelhaarige Frau, der er ein blaues Amulett entriss, ganz ähnlich dem, das Shimon Kohn ihr gegeben hatte. In einem der nächsten Bilder erschien eine Nonne, umringt von durchscheinenden echsenartigen Wesen. Sie rief einem am ganzen Körper tätowierten Mann etwas zu, aber der Mann schien sie nicht zu hören. Im folgenden Bild hatte Rahel sich selbst in der kleinen Kirche gemalt,
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