Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
abseits einer Gruppe von Menschen, die etwas aus dem Kirchenboden hoben. Eine Kiste, bedeckt mit fremdartigen Schriftzeichen und Symbolen. Dann ein Blick auf den Tempelberg. Der Platz zwischen Felsendom und al-Aqsa-Moschee lag verlassen da. Am Rand war ein Schuttberg zu sehen, in dem die Nonne und ein weiterer Priester etwas suchten. Der tätowierte Mann, der Priester mit dem Pferdeschwanz und der weiß gekleidete Junge sahen aus einiger Entfernung zu, als ob sie abwarteten, was die beiden finden würden, um es ihnen dann zu entreißen. Dann kamen die letzten drei Bilder. Der weiß gekleidete Junge und der tätowierte Mann waren dabei, eine Art Urne zu öffnen. Auf der Urne war ein leuchtendes Spiralsymbol eingeprägt. Das vorletzte Bild zeigte die geöffnete Urne auf einem Berg von Leichen in allen Stadien der Verwesung. Das letzte Bild zeigte einen Straßenzug in einer namenlosen Großstadt. Aber kein Mensch war zu sehen, nicht einmal mehr Schatten, keine Seele. Häuser und Autos verwittert und verrottet. Statt einer Sonne ging gerade das Doppelkreissymbol am Horizont auf und erfüllte die Szenerie mit fahlem, bläulichem Licht. Rahel hatte dieses letzte Bild nur noch in groben Strichen gemalt, und obwohl sie nicht sagen konnte, um welche Stadt es sich handelte, war ihr klar, dass sie ohnehin nur eine Metapher für das Ende der Welt darstellte.
Aber nicht dieses letzte Bild erschreckte sie am meisten. Mehr als vor jedem anderen fürchtete sich Rahel vor einem Bild in der Mitte des Zyklus. Denn es zeigte ihren eigenen Tod. Der Tod war ein gleißendes Licht, das sie verbrannte, und Rahel wusste, dass sie nichts daran würde ändern können. Es war nur eine Frage der Zeit.
Nachdem sie die Bilder eine Weile mit wachsendem Entsetzen angestarrt hatte, traf sie eine Entscheidung. Sie brauchte Hilfe. Hilfe, die Bilder zu deuten. Hilfe, vielleicht doch zu überleben. Denn falls dieser Zyklus überhaupt irgendeinen Sinn ergab, dann doch den einer Warnung, dachte sie. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht ließ sich noch irgendetwas von dem, was sie gemalt hatte, aufhalten, umlenken, abwenden. Und da Jim sich immer noch nicht auf ihre E-Mail gemeldet hatte und auch nicht ans Telefon ging, fiel ihr nur ein Mensch in Jerusalem ein, der ihr helfen konnte.
Rahel trank die Cola aus, wusch sich eilig, stopfte die Bilder in eine große Mappe, legte das blaue Amulett dazu und verließ das Hotel. Sie nahm ein Taxi zur Yakar-Synagoge in der Halamed-Hey Street und bat darum, mit Rabbi Spitzer sprechen zu dürfen, es sei dringend.
Man ließ sie warten. Eine Stunde, noch eine Stunde, und eine weitere. Um was es denn bitte schön gehe? Rahel versuchte zu erklären, dass sie dringend die Hilfe des Rabbis in einer sehr wichtigen Lebensfrage benötige, aber da schien sie nicht die Einzige zu sein. Rabbi Spitzer sei ein gefragter Mann, gerade sei er zu Tisch und am Nachmittag leider sehr beschäftigt. Ob Rahel vielleicht morgen wiederkommen könne?
Nein, konnte sie nicht. Aber sie erinnerte sich an ein kleines Restaurant um die Ecke, in dem der Rabbi früher oft verkehrt hatte. Also verließ sie die Synagoge und hoffte, dass sich die Dinge in Jerusalem nicht so schnell änderten wie im Rest der Welt.
Das kleine Restaurant existierte nicht mehr. Doch zwei Häuser weiter gab es jetzt ein Café, und dort entdeckte Rahel den Rabbi vor einem Tee, einer Portion Falafel und einem offenen Buch, eine Serviette sorgfältig in den Hemdkragen gesteckt.
»Kann ich Sie kurz sprechen, Rabbi?«
Der Rabbiner blickte auf, runzelte die Stirn und schien sie zunächst nicht wiederzuerkennen. Dann aber lächelte er.
»Sie sind die Malerin!«
»Rahel Kannai. Ich brauche noch einmal Ihre Hilfe.«
»Aber Sie sehen schon, dass ich gerade esse, nicht wahr?«
»Es ist sehr wichtig.«
Der Rabbi hob die Hände. »Na, ist es das nicht immer?«
Rahel sagte nichts, erwiderte nur den prüfenden Blick des Rabbiners, bis Spitzer seufzend auf den Stuhl neben sich deutete.
»Na, setzen Sie sich schon. Also, was haben Sie auf dem Herzen?«
»Ich möchte Ihnen ein paar Bilder von mir zeigen.«
Der Rabbi verzog das Gesicht, als hätten sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.
»Keine Angst, ich will nicht wissen, ob sie Ihnen gefallen. Werfen Sie nur einen Blick darauf. Wenn Sie meinen, dass ich einfach nur verrückt bin, gehe ich sofort wieder, und alles ist gut.«
Rabbi Spitzer schob seinen Teller zur Seite und zupfte sich die Serviette aus
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