Apocalypsis 3.10 (DEU): Die Reinen Orte. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
erklärte Bühler.
»Von wann sind die Bilder?«
»Aus den vergangenen Wochen. Es war schlimmer geworden mit den Albträumen.«
Peter nickte und sah sich weiter Blatt für Blatt an. Bis er den ersten Hinweis entdeckte. Eine Pyramide mit einer leuchtenden Spitze, darüber eine Kirche. Am Fuß der Pyramide vier Gestalten, eine Frau und drei Männer. Peter reichte Nikolas das Bild. Sein Bruder nickte und reichte ihm ein anderes. Darauf waren verschiedene Versuche zu erkennen, Kreuze zu malen. Allerdings war Leonie offenbar nie richtig zufrieden gewesen, denn sie hatte alle Kreuze immer wieder durchgestrichen. Das Besondere an den Kreuzen war ihre Perspektive, Projektionen eines dreidimensionalen Kreuzes und darunter auch ein seltsames, verwinkeltes geometrisches Objekt. Immer wieder tauchte eine zusammengewachsene, männliche Zwillingsgestalt auf, eine Nonne, ein weiteres Kind. Es war nicht schwer, darin Raymond zu erkennen. Er trat jedes Mal als Bedrohung auf, riss die Leonie-Figur an den Haaren und schien sie einmal ganz zu verschlingen.
Die Bilder erzählten im Grunde alles, was Peter in den letzten Tagen erlebt hatte. Und die Sonne war immer irgendwo mit dabei. Und dann – eine erstaunlich präzise Skizze des Petersdoms mit dem Papst im Zentrum. Jedenfalls hielt Peter die weißgekleidete Gestalt mit der Kappe für den Papst. Das Bild war durch Klebestreifen mit einem anderen Bild verbunden. Es zeigte einen Friedhof mit Kreuzen und darunter wieder den Tesserakt, den Leonie nie richtig hinbekam.
»Offenbar gehörten die beiden Bilder für Leonie zusammen.« Peter reichte Nikolas die beiden Zeichnungen. »Der Petersdom und ein Friedhof. Fällt dir was dazu ein?«
Nikolas starrte auf die Zeichnungen, als habe er soeben eine bestürzende Nachricht erhalten.
»Und ob«, sagte er. »Natürlich gibt es einen Friedhof im Vatikan. Einen sehr kleinen. Den Campo Santo Teutonico. Den deutschen Friedhof. Er liegt direkt unter meinem Büro.«
Bühler erhob sich. »Dann mal los.«
Der kleine deutsche Friedhof, der offiziell Campo Santo dei Teutonici e dei Fiamminghi hieß, gehörte völkerrechtlich zu italienischem Staatsgebiet, lag aber auf dem Gelände des Vatikan, gleich neben dem Palast der Glaubenskongregation, und konnte üblicherweise nur vormittags durch die Pforte neben der Wache Largo Paolo VI. der Schweizergarde betreten werden. Einlass erhielt jeder, der auf Deutsch darum bat. Ursprünglich im Mittelalter für Pilger angelegt, die in Rom verstarben, hatten seit der Neuzeit nur noch Mitglieder der Erzbruderschaft zur schmerzhaften Muttergottes der Deutschen und Flamen und einiger religiöser Gemeinschaften deutschen Ursprungs dort das Beerdigungsrecht. Der Ort war bewusst auf dem Gelände des ehemaligen Circus der römischen Kaiser Caligula und Nero gewählt worden, die an dieser Stelle die ersten christlichen Märtyrer hatten hinrichten lassen. Inzwischen wirkte der Friedhof mit seinen Palmen wie eine kleine Oase und wurde von den kurialen Angestellten gerne für eine Mittagspause genutzt.
Da die Pforte nachts verschlossen war und Nikolas kein Aufsehen erregen wollte, führte er sie durch den Seiteneingang des Palazzo del Sant’Ufficio, der dunkel und menschenleer neben der Pforte lag. Die Prioritätsstufe von Nikolas’ Keycard öffnete ihnen sämtliche Türen. Als sie das Sant’Ufficio betraten, schraubte Bühler einen Schalldämpfer auf die Waffe.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Nikolas. »Ich komme zwar fast überall rein, aber jede Benutzung einer Keycard wird zentral registriert. Um diese Uhrzeit könnte das Aufsehen erregen.«
»Der Vatikan ein Überwachungsstaat«, murmelte Peter. Nikolas sah ihn amüsiert an.
»Was hast du denn gedacht! Er sieht alles.« Er deutete zum Himmel.
»Dann hoffen wir mal, dass er da oben auch gut auf uns aufpasst.«
»War das etwa gerade ein Glaubensbekenntnis?«
»Das du dir sonst wohin stecken kannst.«
»Wenn ich euch störe, sagt es einfach«, knurrte Bühler und steckte seine schallgedämpfte Waffe wieder ein. »Ansonsten könnten wir vielleicht einfach weitergehen?«
Durch einen langen Korridor mit einem alten, abgetretenen Steinboden gelangten sie in die gigantische vatikanische Audienzaula, kamen durch einen Seitengang wieder hinaus und standen vor der Rückseite des Priesterkollegs Collegio Teutonico di Santa Maria in Campo Santo. Nikolas wartete einen Augenblick, ob irgendwo Wachen der vatikanischen Gendarmerie patrouillierten, und öffnete dann
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