Apollofalter
und stellte eine Schüssel mit Erdbeeren auf den Tisch, die mit einem Minzezweig dekoriert war. »Ich hab etwas Neues ausprobiert.« Sie suchte Kilians Blick und sah ihn mit verschwörerischer Miene an, während sie Schälchen austeilte. »Bitte, bedienen Sie sich. Und dann sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
Er schöpfte sich ein wenig von dem Fruchtbrei in sein Schälchen.
»Ich bin gespannt, ob Sie es herausschmecken.« Es hörte sich an, als habe sie dieses Dessert ganz speziell für ihn kreiert.
Gehorsam probierte er als Erster. »Köstlich«, sagte er überrascht. Die Erdbeerstücke, die in einer fruchtigen Soße schwammen, schmeckten ein wenig nach Minze und nach etwas unbekanntem Scharfen. »Eine äußerst interessante Geschmacksnote.«
»Wirklich?« Wieder errötete Irmchen tief. Ihre Augen strahlten und das Feuermal auf ihren dicken Backen glühte. »Es ist ein Hauch grüner Pfeffer dran. Meine Anregungen hole ich mir aus Kochbüchern. Als ich das mit dem Pfeffer las, dachte ich erst, das funktioniert nicht. Aber dann habe ich es einfach ausprobiert. Und ich finde, es hat was.«
»Es hat was ganz Entschiedenes«, stimmte er zu.
»Sie können gern noch einen Nachschlag haben. Wollen Sie?«
»Hannah, zeigst du Herrn Kilian das Zimmer?«, sagte Seniorin Lingat nach dem Essen.
»Du musst mir das nicht extra sagen, Oma.« Hannah stand auf und griff sich seine Reisetasche. »Hätt’ ich sowieso gemacht.«
»Nicht doch«, sagte er und nahm ihr die Tasche wieder aus der Hand. Für Sekunden berührten sich ihre Finger. Ein Stromstoß durchfuhr ihn. Bis hinunter zu den Lenden. »Die ist zu schwer für dich.« Das süße Gift begann bereits zu wirken. Er hoffte inständig, dass niemand ihm etwas anmerkte.
Hannah lachte. Ein kokettes Blitzen in den Augen. »Ich bin eine starke Frau.«
Das Herz stach ihm in der Brust. Diese unschuldigen blauen Augen. Diese erfrischende Naivität. Oh Hannah. Hannah. Kleine Fürstin aus dem Märchenland, der ich hier so unverhofft begegne.
»Das bezweifle ich nicht. Aber es ist ziemlich unhöflich von einem Mann, eine junge Frau sein Gepäck tragen zu lassen«, sagte er in nüchternem Tonfall, der ihm schwer fiel.
»Wenn Sie meinen. Ein Stockwerk höher.« Hannah zeigte mit dem Daumen nach oben und ging voran. Er maß mit gierigen Blicken ihr Hinterteil, das prall von engem Jeansstoff umschlossen wurde. Der winzige Rand ihres Unterhöschens lugte aus dem Bund hervor. Darüber schimmerte ein Streifen goldbrauner Haut.
»Erwartet ihr noch andere Gäste?«, fragte er und hatte Mühe, seine Stimme normal klingen zu lassen.
Sie schüttelte den Kopf. »Momentan vermieten wir nur ein Zimmer. Die anderen müssen erst noch renoviert werden.« Sie öffnete die Tür und machte eine einladende Geste. Seine Tasche stellte sie auf einem Stuhl ab. »Das hier ist unser bestes. Gefällt es Ihnen?«
Der Raum war mit wenigen Möbeln ausgestattet und wirkte trotz der hellen Raufasertapete etwas düster. Der Teppichboden, ein billiger Nadelfilz, wies zahlreiche Flecken auf. Von der Decke baumelte ein mit helllila Kunstseide bespannter Ballon, auf dem Generationen von Fliegen ihre Hinterlassenschaften abgelegt hatten. Lediglich der pastellfarbene Blümchenvorhang, der sich vor dem offenen Fenster bauschte, und die Tagesdecke aus dem gleichen Stoff verliehen dem Zimmer einen Hauch von Freundlichkeit.
»Ja, ich finde es ganz hübsch.« Das war zwar übertrieben, aber was wollte er mehr? Er hatte dieses Angebot auch deshalb ausgewählt, weil es eines der preiswertesten war.
»Sie brauchen gar nicht zu flunkern«, sagte sie. »Ich sehe Ihnen doch an, dass Sie es nicht besonders finden.«
Er fühlte sich ertappt. Dann sah er in ihr lachendes Gesicht. »Ja, du hast recht«, gab er zu. »Aber es lässt sich sicher hier aushalten.«
»Wenn es Ihnen zu ungemütlich ist, kommen Sie einfach runter zu uns.« Sie ging zum Fenster, das den Blick ins Moseltal und auf die gegenüber liegenden grünen Hänge freigab und zog die Gardinen zu. Im Vorbeigehen strich sie mit einer routinierten Bewegung über die Tagesdecke. Dabei glitt das kleine goldene Kreuz, das sie an einem Kettchen um den Hals trug, nach vorn.
»Bist du katholisch?«, fragte er und wunderte sich im nächsten Augenblick über sich selbst. Wieso stellte er diesem Kind Fragen nach dessen Religion?
»Nein. Evangelisch.« Ihr Blick hielt den seinen fest. Länger, als er ertragen konnte. Es gelang ihm nur unter Anstrengung, sich von
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