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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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der Nummer hin. »Kilian sagte, er sei als Biologe an der Mainzer Uni beschäftigt. Rufst du da nachher mal an und erkundigst dich nach ihm?«
    Er warf einen kurzen Blick auf den Zettel und nickte. »Und was machst du?«
    »Ich will mich mal an Hannahs Schule umhören.«
    »In Ordnung«, sagte er.
    In der Tür drehte sie sich noch mal um. »Du hattest übrigens recht mit deiner Vermutung«, sagte sie.
    »Was meinst du?« Er sah sie verständnislos an.
    »Na, dass es mir lieber gewesen wäre, wir hätten es hier mit einem Unfall zu tun. Ich muss aufpassen, dass ich mich in solchen Dingen nicht von persönlichen Empfindungen leiten lasse.« Sie zuckte die Schultern. »Ist wohl ’ne typisch weibliche Veranlagung.«
    »Ich finde es nicht verkehrt, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten«, antwortete er. »Das erweitert den Horizont. Und macht mehrere Ermittlungsansätze möglich.«
    »Tja dann.« Lächelnd schloss sie die Tür. Früher, als sie noch mit David zusammen war, hätte sie sich eine solche Betrachtungsweise der Dinge gewünscht. Dass man zwei unterschiedliche Ansichten gleichwertig nebeneinander stehen ließ. Doch allzu oft hatte David »typisch weiblich« mit »minderwertig« gleichgesetzt. Jedenfalls hatte sie das so empfunden.
     

13
    Er stand auf, ging hinüber ins Bad und trank aus dem Zahnputzglas einen Schluck Wasser. Als er seinem Anblick im Spiegel begegnete, drehte er angewidert den Kopf weg. So hatte er schon lange nicht mehr ausgesehen. So abgehalftert. So verlebt. Mit stoppeligem Bart und rot geschwollenen Tränensäcken unter den Augen. Pfui Teufel!
    Er spuckte das Wasser, das nach Pfefferminze schmeckte, ins Becken.
    Dann schlurfte er zurück in sein Zimmer. Unten im Haus ging eine Tür. Da fiel sein Blick wieder auf das kleine Büchlein, das er unter Hannahs Matratze gefunden hatte. Zwischen Lattenrost und Spannbetttuch hatte es gelegen. Kein besonders originelles Versteck. Darauf hätte er eher kommen können.
    Die ganze Nacht hatte er darin gelesen. Durch die Zeilen von Hannahs Jungmädchenschrift leuchteten ihm einzelne Bilder entgegen. Erkenntnisse. Träume. Sehnsüchte. Vieles von ihren Gedanken war ihm vertraut. Doch manches offenbarte ihm eine ganz andere Hannah als die, die er kannte. Die Kleine hatte nicht nur einen klugen Kopf, sondern auch eine ziemlich lebhafte Phantasie. Im letzten Drittel stand das, was er befürchtet hatte. Etwas, das ihn Kopf und Kragen kosten konnte.
    Es war gut, dass er dieses Buch gefunden hatte. Niemandem durfte es in die Hände fallen. Die Stellen, die ihn betrafen, hatte er herausgerissen und vorsorglich vernichtet. Obwohl es ihm in der Seele wehgetan hatte. Aber es war besser so.
    Das Büchlein versteckte er zwischen der Schmutzwäsche in seiner Reisetasche. Dann ging er nach unten. Irmchen hantierte bereits in der Küche. Von den anderen war noch nichts zu sehen.
    »Hallo?«, rief er und klopfte an die Küchentür. Kauend stand sie vor dem Schrank. Ihr konnte offenbar so schnell nichts den Appetit verschlagen. Trotzdem: Sie sah schrecklich aus. Ihr Gesicht war verquollen. Die Haut in verschiedenen Rosatönen marmoriert. Das Feuermal hatte sie heute nicht überschminkt, es blühte wie eine offene Wunde.
    »Guten Morgen, Herr Kilian. Das Frühstück wie immer?«, fragte sie mit zittriger Stimme. Ihre Lippen bebten.
    »Nur Kaffee, bitte.« Er würde nichts anderes herunterbringen.
    Sie nickte und begann, mit der Kaffeemaschine zu hantieren. Im Esszimmer lag die Rhein-Zeitung aufgeschlagen auf dem Tisch. »Mädchen tot in den Weinbergen gefunden«, lautete die Überschrift.
    Er setzte sich, zog die Zeitung zu sich und las den Artikel. Es stand nicht mehr drin als er bereits wusste.
    Irmchen kam aus der Küche. Auf dem Tablett balancierte sie Kaffeetasse, Kännchen und Milch. Seit er ihr gesagt hatte, dass er keinen Zucker nahm, ließ sie das Zuckerdöschen weg. Er sah noch, wie ihre Hand heftig zu zittern begann, dann war es auch schon passiert. Das Geschirr flog auf den Boden und zerbrach in tausend Scherben. Schnell bildete sich auf dem Parkett eine braune Lache.
    Irmchen heulte auf. Es klang wie das Jaulen eines getretenen Hundes. Er wusste nicht, ob sie sich verbrüht oder geschnitten hatte. Mit hängenden Schultern ging sie in die Hocke und betrachtete die Bescherung am Boden. Ihr Heulen ging in ein Wimmern über.
    Er stand auf und bemühte sich, nett zu sein. Legte ihr einen Arm um die Schulter und wollte ihr aufhelfen. Im selben

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